Vor dem Start der Australian Open: Bringt die neue Saison neue Chancen auf Gerechtigkeit?

Mit dem „Happy Slam“, den Australian Open, wird traditionell die neue Tennis-Saison eingeläutet. Alles andere als happy waren dagegen die Spielerinnen mit der WTA und deren Umgang mit der Corona-Krise vergangenes Jahr. Es folgten sogar Debatten über einen Zusammenschluss mit der Spieler-Vereinigung der Männer, der ATP.

Endlich wieder Tennis, und das vor Publikum. Möglich macht dies die rigide Corona-Politik Australiens, wo ab nächster Woche der erste Grand Slam der neuen Saison stattfindet. Besonders die Spielerinnen werden den Saisonbeginn sehnlichst erwartet haben, war die Pause doch diesmal ungewöhnlich lang. Dementsprechend groß war auch die Kritik Ende des vergangenen Jahres an der Spielerinnen-Vereinigung WTA, welche die Frauen-Tour organisiert.

„Zum Kotzen“ fand es Sofia Kenin. Und auch Julia Görges war erstaunt ob der Leere des Turnierkalenders, er wäre „schon recht nackt“, sagte sie dem SID. Dabei kehrte die Frauen-Tour Anfang August vielversprechend aus der Corona-Pause zurück. Naomi Osaka holte ihren zweiten US Open-Titel, Laura Siegemund war in New York im Doppel erfolgreich und Iga Swiatek sicherte sich als erste Polin bei den French Open den Sieg. Das Frauen-Tennis hatte nicht an Spannung und überraschenden Momenten eingebüßt. So hätte es weitergehen können.

Aber das tat es nicht. Während die Männer bis zum Saisonende noch zehn Turniere bestritten, darunter die beiden Turniere in Köln und die ATP Finals in London, mussten sich die Spielerinnen nach den French Open im September mit weniger begnügen: Gerade einmal zwei kleinere Turniere fanden im Oktober bzw. November statt. Die prestigeträchtige Asientour inklusive der WTA Finals in Shenzhen, die traditionell die Saison abschließt, sagte die WTA bereits im Juli ab. Doch im Gegensatz zur Spielervereinigung der Männer, der ATP, fand die WTA keinen Ersatz für die ausgefallenen Turniere. Somit war die Saison 2020 schon frühzeitig für die Spielerinnen beendet.

Im Tennis herrscht keine Einigkeit

Manch eine Spielerin mag auf den vollen Turnierkalender der ATP geschaut und sich an eine Debatte erinnert haben, die Roger Federer im April 2020 ins Rollen gebracht hatte. In einer Reihe von Tweets fragte er sich: „Bin ich der Einzige, der denkt, dass jetzt die Zeit wäre, dass sich das Männer- und das Frauentennis zusammenschließen? Es hätte wahrscheinlich schon längst geschehen sollen, aber nun wäre es vielleicht wirklich an der Zeit. Der Sport macht harte Zeiten durch und wir könnten mit einer gestärkten Organisation anstatt mit zwei geschwächten hieraus (Corona-Krise, Anm. d. Red.) hervorgehen.“ Für seine Worte erhielt er von einer Reihe von aktiven und ehemaligen Spieler*innen wie Rafael Nadal, Serena Williams oder der Tennis-Legende Billie Jean King Unterstützung.

„Bin ich der Einzige, der denkt, dass jetzt die Zeit wäre, dass sich das Männer- und das Frauentennis zusammenschließen? Es hätte wahrscheinlich schon längst geschehen sollen, aber nun wäre es vielleicht wirklich an der Zeit." Roger Federer

King gründete Anfang der 1970er die WTA und war damit maßgeblich daran beteiligt, dass Spielerinnen bei Grand Slams das gleiche Preisgeld erhalten wie die Männer. Die Gründung der WTA sei jedoch nur Plan B gewesen, antwortete King auf Federers Tweet. Bereits damals, bevor sich die Frauen 1973 in der WTA organisierten, wollte sie sich mit den Männern zusammenschließen, diese lehnten jedoch ab und gründeten stattdessen die ATP. „Zu meiner Zeit konnten sich die Männer einfach nicht vorstellen, dass wir (mit Tennis, Anm. d. Red.) Geld verdienen könnten.“, erinnert sich King. Seitdem gab es immer wieder konkrete Gespräche, die aber – zuletzt 2008 – meist an der ATP scheiterten. Nun aber zeigen sich sowohl der WTA-Vorsitzende als auch der ATP-Präsident offen für erneute Verhandlungen.

Denn eins steht fest, und das hat nicht erst die Corona-Krise gezeigt: Es herrscht alles andere als Einigkeit im Tennis. Sieben Interessensgruppen bestimmen über das Geschehen. WTA und ATP organisieren unabhängig voneinander die jeweiligen Tours, darüber hinaus zeichnet sich der Weltverband ITF für die Mannschaftswettbewerbe verantwortlich. Hinzu kommen noch die vier Grand Slam-Veranstalter. Frei nach dem Motto „Viele Köche verderben den Brei“ kann es schon mal zu Machtkämpfen kommen, welche nicht immer zum Vorteil der Spieler*innen sind. So geschehen bei den French Open, die bei der Terminierung einen Alleingang wagten und somit den Terminkalender gehörig durcheinander wirbelten. Solche Alleingänge sind bei weitem keine Seltenheit. Übervolle Turnierkalender und eine undurchsichtige Preisgeldstruktur, von der nur die Top 100 profitieren, sind die Folge.

Zusammenschluss von WTA und ATP bringen Vorteile

Eine gemeinsame Tour, einheitliches Preisgeld und eine zentrale Anlaufstelle für Fans hätten Vorteile für alle Beteiligten. Letztere benötigen derzeit sage und schreibe neun Apps, um sich über das Spielgeschehen auf dem Laufenden zu halten. Und erfahren dennoch nichts über die Frauen-Tour, weil die WTA erst gar keine eigene App im Angebot hat. Von einer Fusion könnten auch die Spielerinnen im Sinne von „Equal Pay“ profitieren.

Es stimmt zwar, dass Tennis beim Thema Gleichberechtigung anderen Sportarten weit voraus ist – Frauen und Männer erhalten bei den Grand Slams und Masters das gleiche Preisgeld – doch der Eindruck trügt. "Die Krux an der Sache ist, dass die restliche Tennis-Tour 90 Prozent des Jahres ausmacht", sagte Petkovic im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen. Dort hätten Frauen deutlich weniger Turniere und verdienten deutlich weniger als die Männer.

Gemeinsam könnten WTA und ATP außerdem größeren Einfluss auf Sponsoren, Marketing sowie Sportrechte-Vergaben nehmen, was wiederum gut für die TV-Sender sein könnte. Als der US-amerikanische Tennis Channel 2019 wieder Frauen-Tennis ins Programm aufnahm, stiegen die Zuschauerzahlen nämlich um mehr als 30 Prozent. Es spricht also sehr viel für eine Fusion. Dennoch kommt es einer Mammutaufgabe gleich, so viele Interessen – Sponsoren, Weltranglistensystem, etc. – unter einen Hut zu bringen. Auch deshalb scheiterten die Gespräche wohl so oft. Trotzdem spricht sich Barbara Rittner in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur für eine Fusion aus:

„Ich denke, es wäre etwas sehr Positives, wenn diese Corona-Krise dazu führt, dass es im Welt-Tennis zu einer größeren Einigkeit kommt.“

Im Frauen-Tennis geht noch mehr

Einen Schritt dahin tat die WTA jedoch bereits, als sie zur neuen Saison ihre Turnierkategorien vereinfachte und an die der ATP anpasste. Überhaupt erscheint die WTA in einem neuen Gewand. Ein neues Logo und eine Marketing-Kampagne sollen an Pionierinnen wie King erinnern, die den Weg zu mehr Gleichberechtigung im Tennis ebneten. Und tatsächlich agieren die heutigen Spielerinnen ganz in der Tradition ihrer Vorgängerinnen. Während die männlichen Tennisstars im Sommer eher durch Corona-Parties und Vorwürfe häuslicher Gewalt auf sich aufmerksam machten, setzten sich Spielerinnen wie Naomi Osaka oder Coco Gauff für soziale Themen, zum Beispiel im Rahmen der Black Lives Matter-Bewegung, ein.

Abseits des Tennisplatzes und vor allem spielerisch müssen sich die Frauen also nicht vor den Männern verstecken. Doch das frühzeitige Saisonende vergangenes Jahr, die fehlende App und auch das niedrigere Preisgeld hinterlassen einen faden Beigeschmack. Man hat oftmals das Gefühl: da geht noch mehr. Es ist ja nicht so, dass das Frauen-Tennis nicht interessante Persönlichkeiten auf und neben des Tennisplatzes, abwechslungsreiche Spiele sowie eine bunte Mischung aus jungen und arrivierten Spielerinnen bieten würde. Da kann die WTA ruhig mehr draus machen. Doch zumindest auf die Kritik ihrer Spielerinnen haben sie reagiert. Nach den Australian Open ist nicht schon wieder Schluss, der Turnierplan ist bis Juli 2021 prall gefüllt.

Katarina Schubert

Katarina Schubert

Erschienen in Tennis am 02. Februar 2021

Weitere Artikel

  • Sky-Sportchef Charly Classen will verstärkt Frauensport zeigen. © Sky

    Sky-Sportchef Classen: ,Anteil von Frauensport mehr als verdoppeln'

    Sky will künftig im Sportprogramm mehr Frauensport zeigen – sowohl mit Hintergrundgeschichten als auch Live-Berichten. Wie es zu diesem Schritt kommt und welche Sportarten dabei im Fokus stehen, erklärt Sky-Sportchef Charly Classen im Interview.

    Verfasst von Nina Probst

    08. Mär, 2022

  • Barbara Rittner bleibt Cheftrainerin. © DTB/Paul Zimmer

    Barbara Rittner bleibt Chef-Bundestrainerin des DTB

    Barbara Rittner ist auch in den kommenden Jahren Cheftrainerin für die Damen und den weiblichen Nachwuchsbereich im Deutschen Tennis Bund (DTB). Die 48-Jährige unterzeichnete eine Vertragsverlängerung bis Ende 2023. Rittner bekleidet seit 2005 das höchste Amt im deutschen Damen-Tennis.

    11. Jan, 2022

  • Andrea Petkovic hat auch ihr zweites Spiel verloren. © DTB/Paul Zimmer

    Halbfinal-Traum für Kerber, Petkovic und Co. geplatzt

    Bei den Billie Jean King Cup-Finals hat das Porsche Team Deutschland auch die zweite Begegnung in Gruppe D verloren. Die Mannschaft von Kapitän Rainer Schüttler unterlag der von Olympiasiegerin Belinda Bencic angeführten Schweiz am Dienstagabend 0:3 und muss somit vorzeitig die Heimreise aus Prag antreten.

    03. Nov, 2021

  • Jule Niemeier und Anna-Lena Friedsam schaffen beinahe die Sensation. © DTB/Paul Zimmer

    Billie Jean King Cup Finale: Bittere 1:2-Niederlage gegen Tschechien

    Das Porsche Team Deutschland ist mit einer knappen 1:2-Niederlage gegen Tschechien in den Final-Wettbewerb des diesjährigen Billie Jean King Cup gestartet. Nächster Gegner ist die Schweiz.

    02. Nov, 2021

  • Anna-Lena Friedsam über das Billie Jean King Cup Finale. © DTB/Paul Zimmer

    Anna-Lena Friedsam: ,Tschechien hat sicher gewaltig Druck'

    Am Montag startet das deutsche Team beim Billie Jean King Cup Finale in Prag (1. bis 6. November). Anna-Lena Friedsam spricht im Interview über die Auftaktbegegnung am Montag gegen Tschechien, den Teamspirit und Kapitän Rainer Schüttler.

    31. Okt, 2021

  • Angelique Kerber und Co. treten beim Billie Jean King Cup an. © Porsche AG

    Billie Jean King Cup: Deutschland hofft bei Premiere auf Überraschung

    Am Montag (01.-06.11.) beginnt der Billie Jean King Cup, ehemals Fed Cup, in Prag. Neuer Name, neues Format und ein höheres Preisgeld – es hat sich viel getan beim traditionsreichsten Teamwettbewerb im Frauentennis.

    Verfasst von Katarina Schubert

    30. Okt, 2021

  • Diese fünf Spielerinnen vertreten den DTB beim Finale des Billie Jean King Cups. © PAG

    Fünf Spielerinnen für Finale des Billie Jean King Cups nominiert

    Rainer Schüttler hat seine Mannschaft für die Billie Jean King Cup (BJKC)-Finals vom 1. bis 6. November in der tschechischen Hauptstadt Prag benannt. Bei der Erstausgabe des neu geschaffenen Finalturniers werden Angelique Kerber, Andrea Petkovic, Anna-Lena Friedsam, Jule Niemeier und Nastasja Schunk für das Porsche Team Deutschland auflaufen.

    05. Okt, 2021