WNBL-Trainerin Alexandra Maerz: Trainer brauchen berufliche Perspektive

Alexandra Maerz hat jahrelange Erfahrung am Spielfeldrand – nun wurde sie zur WNBL-Trainerin des Jahres ausgezeichnet. Im Interview mit Sportfrauen spricht sie über ihre Ziele, aber auch über die Situation für Trainer in Deutschland.

In der WNBL wurde Alexandra Maerz zur Trainerin des Jahres gewählt. Auch für sie war es ein ganz besonderes Jahr, bestimmt durch den plötzlichen Corona-Abbruch. Der Meistertitel für den TuS Lichterfelde war da schon in greifbarer Nähe. Wir haben mit der Trainerin darüber gesprochen, wie sie die Coronazeit erlebt, was sie als Trainerin ausmacht und welche Ziele sie noch hat.

Frau Maerz, Glückwunsch zur Auszeichnung. Hatten Sie damit gerechnet?

„Danke! Ehrlich gesagt habe ich mich mit der Wahl wenig auseinandergesetzt. Meine Gedanken waren vor allem beim Verein und wie wir jetzt aufgrund der Corona-Pandemie weitermachen. Als die Abstimmung dann auf mich fiel, war ich aber umso erfreuter.“

Wie haben Sie aus Trainersicht den Corona-Abbruch erlebt?

„Das war ein richtiger Paukenschlag. Der Abbruch kam so plötzlich, kurz davor hatten wir noch ganz normal trainiert. Aber ich hatte zuvor schon so ein komisches Gefühl. Zwar nicht bezüglich eines Abbruchs der Liga, aber ich habe mir Sorgen gemacht was passiert, wenn sich jemand von uns infiziert. Die Unsicherheit insgesamt ist und war groß. Dass wir jetzt die Saison so unvollendet hinter uns lassen müssen, ist für uns alle bitter.“

Hatten Sie noch Gelegenheit, mit dem Team darüber zu sprechen?

„Wir mussten das zunächst alles per E-Mail bekanntgeben. Erst einmal musste jeder das selbst verdauen. Nach zwei bis drei Wochen habe ich begonnen, mit anderen Trainern und den Spielerinnen Kontakt aufzunehmen. Vor allem die Spielerinnen sind natürlich sehr enttäuscht. Immerhin waren wir vergangenes Jahr Zweiter und haben uns in dieser Saison vorgenommen, den Meistertitel zu packen. Es ist eine junge Mannschaft, die einfach gerne Basketball spielen will.“

Was würden Sie sagen, macht Sie als Trainerin aus?

„Ich bin sehr erfahren, auch durch die Tätigkeit in der Jugend- und Damen-Nationalmannschaft habe ich viel über die Vereins- und Landesgrenzen hinaus gelernt. Außerdem lebe ich für den Sport und versuche, immer besser zu werden.“

Was war der größte Erfolg Ihrer Trainerkarriere?

„Das war als ich mit der BG Zehlendorf in die 1. Liga aufgestiegen bin. Wir haben das damals komplett ohne Profis und ohne Spielerinnen aus dem Ausland geschafft. Das war ein großartiger Erfolg. Ein weiterer Moment, an den ich mich noch gut erinnere, war der Sieg der B-Europameisterschaft 2014 mit der Jugend. In diesem Team hat zum Beispiel auch Satou Sabally mitgespielt. Wir hatten damals eine sehr emotionale Bindung in der Mannschaft und haben den Titel souverän gewonnen.“

Satou Sabally wurde ebenso wie zwei andere deutsche Spielerinnen für die WNBA gedraftet. Ist das für junge Spielerinnen ein Anreiz?

„Satou stammt ja hier aus Lichterfelde. Sie kommt auch hin und wieder vorbei und ist daher gerade bei kleineren Kindern ein großes Vorbild. Aber die wenigsten träumen wirklich von einer ähnlichen Profikarriere. Die meisten Spielerinnen legen den Schwerpunkt auf eine akademische Karriere. Ein größerer Anreiz ist für einige, mal ans College in die USA zu kommen, da sie hier größere Entwicklungsmöglichkeiten haben. Gerade die Spielerinnen der Nationalmannschaften haben gute Chancen, da hier immer wieder Scouts vor Ort sind.“

"Ich glaube, dass wir viele gute deutsche Trainer haben. Aber wir müssen ihre Rolle überdenken und ihre Leistung mehr honorieren." Alexandra Maerz

Wie steht es um den Basketball-Nachwuchs in Deutschland?

„Wir haben in den vergangenen Jahren einen großen Schritt nach vorn gemacht. Durch die WNBL und verschiedene Initiativen im Trainerbereich haben wir beginnend mit den Jahrgängen 1998 tolle Spielerinnen hervorgebracht. Darunter eben auch Satou. Mit dem Ausnahmejahrgang 2000/2001 haben wir dann 2018 erstmals die Europameisterschaft mit der U18 gewonnen. Darauf wollen wir nun aufbauen und dafür sorgen, dass das keine Eintagsfliege war.“

Wie gehen Sie dabei vor?

„Mit Stefan Mienack haben wir einen sehr engagierten Bundestrainer für die weibliche Jugend, der auch die anderen Trainer an Board holt. Wir müssen dabei alle an einem Strang ziehen und nicht nur nach Spielerinnen Ausschau halten, die aktuell eine gute Leistung bringen, sondern nach Spielertypen, die wir in Zukunft brauchen.“

Wie steht es denn um Trainer in Deutschland? Gerade in der DBBL stehen ja viele ausländische Trainer am Spielfeldrand.

„Auch im weiblichen Bereich brauchen die Trainer eine gute berufliche Perspektive. Die fehlt allerdings oft noch. Viele machen das nur nebenberuflich und die wenigsten sind so verrückt wie ich und stürzen sich da so rein. Ich glaube, dass wir viele gute deutsche Trainer haben. Aber wir müssen ihre Rolle überdenken und ihre Leistung mehr honorieren. Schließlich steckt viel mehr dahinter, als die meisten Außenstehenden meinen. In anderen Ländern funktioniert die berufliche Perspektive für Trainer besser. Zum Beispiel in Finnland gibt es einen Studiengang Basketball.“

Wie steht es um ihre eigene Perspektive? Welche Ziele haben Sie noch?

„Mein kurzfristiges Ziel ist, endlich wieder spielen zu können. Aktuell trainieren wir hier in Berlin im Stadion auf Steinboden, glücklicherweise hat uns das Streetball-Team zwei Körbe zur Verfügung gestellt. In die Sporthallen dürfen wir noch nicht, da die Schulen Eigenbedarf angemeldet haben. Das frustriert die Spielerinnen, immerhin dürfen Teams in anderen Bundesländern schon wieder normal trainieren. Immerhin wollen wir in der kommenden Saison endlich den Titel holen.“

Und dann?

„Langfristig will ich die Qualität hier im Verein halten und uns weiter als einen der besten deutschen Ausbildungsvereine etablieren. Ein persönliches Nebenziel wäre, noch ins Ausland zu gehen und mich als Co-Trainerin eines europäischen Spitzenclubs weiterzuentwickeln. Aber jetzt steht erst einmal der TuS Lichterfelde an und der Wiedereinstieg in den Ligabetrieb.“


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Erschienen in Basketball, Frauen im Sportbusiness am 16. Juni 2020

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