Eishockey

Wie Jazzy Gabert als Alpha Female die Wrestling-Welt aufmischt

ExklusivJazzy Gabert alias Alpha Female ist die erfolgreichste Wrestlerin Deutschlands und schaffte sogar den Sprung in die WWE. Was sie dort erlebte, wie sich das Frauen-Wrestling in den letzten Jahren entwickelt hat und was sie über #speakingout denkt, erzählt sie Sportfrauen im Interview.

Letztes Jahr schrieb die WWE, die größte Wrestling-Liga der Welt, Geschichte. Das erste Mal wurde der Hauptkampf bei Wrestlemania, welches dem Superbowl gleicht, ausschließlich von Frauen ausgetragen. 82.000 Menschen im Publikum und weitere Millionen vor den Fernsehgeräten feuerten Rhonda Rousey, Charlotte Flair sowie Becky Lynch an, als diese um den begehrtesten Titel in der Welt des Wrestlings kämpften. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass Frauen eine eher untergeordnete Rolle spielten. Das weiß auch Deutschlands erfolgreichste Wrestlerin.

Jazzy Gabert, 1982 in Berlin geboren, entdeckte ihre Liebe zum Wrestling in den 1990er Jahren. Damals bestimmten Popikonen wie Hulk Hogan, der Undertaker oder Bret Hart das Geschehen, welche auf Gabert einen bleibenden Eindruck hinterließen. „Ich komme aus einer schwierigen Familie und war immer ein schüchternes Mädchen. Die Wrestling-Welt war das genaue Gegenteil: cool, stark, selbstbewusst. In dieser Welt wollte ich leben.“

Gaberts schwieriger Anfang im Wrestling

Doch erst als sie im Jahr 2000 in Berlin zwei Frauen gegeneinander kämpfen sah, wagte sie selbst den Schritt in den Ring. Gabert erinnert sich: „Ich war selbst keine starke Frau, sondern ein kleiner Teenager. Ich war sechzig Kilo schwer und nicht das, was ich heute bin.“ Im Gegensatz zur heutigen Zeit waren Frauen Anfang der 2000er jedoch eine Ausnahme in Wrestling-Schulen, in bestimmten Berliner Kreisen sogar ein No-Go. Gabert musste gegen Vorurteile ankämpfen. „Am Anfang wollten die mich gar nicht haben. Ich musste monatelang betteln, bis sie mich endlich in ihrer Schule aufgenommen haben.“ Die erste Zeit glich jedoch der Hölle. „Nachdem sie mich sechs Monate lang täglich schlimm verprügelt haben – ich hatte blaue Augen und dicke Lippen – haben sie eingesehen, dass ich es ernst meine.“

Dann ging aber alles sehr schnell. Gabert profitierte davon, dass das Frauen-Wrestling – vor allem in Europa – noch in den Kinderschuhen steckte. „Es gab ja nur eine Handvoll Mädels in ganz Europa und die haben immer gegeneinander gekämpft. Deswegen habe ich so schnell eine Chance bekommen. Innerhalb von einem Jahr stand ich selbst im Ring und hatte meinen ersten Kampf.“ Diesen verlor sie jedoch.

Der Weg zur Alpha Female

Heute ist Jazzy Gabert Deutschlands bekannteste Wrestlerin, was sie ihrem Gimmick, also ihrem Charakter der Alpha Female, zu verdanken hat. Der Name hält, was er verspricht. Muskulös, blonder Mohawk, laut: Eine Frau, die sich nicht einschüchtern lässt und so gar nicht dem Bild der damaligen Wrestlerinnen entsprach, die eher durch ihr sexy Auftreten als durch Talent und starke Leistungen bestachen.

NadineVeigel.JPG Foto: Nadine Veigel

Doch Gabert war nicht immer die selbstbewusste Alpha Female im Ring. Ihr erster Charakter war Jazzy Bi, eine bisexuelle Wrestlerin. Damit sollte sie sowohl das männliche als auch das weibliche Publikum ansprechen. Die Entscheidung darüber traf ihr Trainer. „Er meinte zu mir, du kannst noch nicht so gut kämpfen, deswegen sollte ich sexy sein. Ich musste dann immer in den Ring tanzen.“ Das passte aber gar nicht zu ihrer Vorstellung vom Wrestling. „Ich habe es gehasst, weil ich nie für meinen Körper beliebt sein wollte, sondern für meine Leistung.“

Also trennte sie sich von ihrer Wrestling-Schule. Auf die Idee der Alpha Female kam sie aber erst nach einem Gespräch mit keinem geringeren als Bret the Hitmann Hart, einer Wrestling-Legende. Er gab ihr einen Ratschlag, der ihr Leben verändern sollte. „Er sagte zu mir: Du könntest die Person im Ring darstellen, die du selbst gerne sehen möchtest.“ Das war 2005.

Es gab es immer nur diese Puppen, diese halbnackten Mädels. Aber ich wollte eine richtig starke Frau im Ring sehen, die ihr Ding durchzieht und der es egal ist, was die anderen von ihr denken.

Damals fehlten Gabert weibliche Vorbilder im Wrestling. „Es gab es immer nur diese Puppen, diese halbnackten Mädels. Aber ich wollte eine richtig starke Frau im Ring sehen, die ihr Ding durchzieht und der es egal ist, was die anderen von ihr denken. Dabei muss sie auch nicht hübsch aussehen und kann sogar ein wenig ‚Monster‘ sein. Und so ist dann die Alpha Female entstanden.“ Mit ihr treibt es Gabert so sehr auf die Spitze, dass selbst Freunde Angst vor ihr haben. Lachend erzählt sie: „Ich habe ganz viele Freunde, die sagen, hey Jazzy, wir lieben dich, aber wir hassen die Alpha Female.“

Frauen-Wrestling rückt ins Rampenlicht

Waren Wrestlerinnen bis Anfang der Nullerjahre eher im Rahmenprogramm zu finden, hat sich das Frauenbild heutzutage radikal geändert. Im Gegensatz zur damaligen Zeit, als deren Kämpfe ja nicht zu gewalttätig aussehen durften, damit die (meist männlichen) Zuschauer mit ihrem konservativen Frauenbild nicht abgeschreckt wurden, stehen inzwischen die Frauen ihren männlichen Pendants in Sachen Kampfkunst in nichts mehr nach. Die Zeit der sexy Diven ist vorbei, Wrestlerinnen wie Sasha Banks, Asuka oder Bayley werden als technisch versierte Athletinnen respektiert und anerkannt. Natürlich sind die sexy Outfits nicht aus dem Ring verbannt worden.

Dennoch ist die Riege der Top-Wrestlerinnen diverser geworden: von grazil bis muskulös und verspielt bis aggressiv ist alles dabei – genauso wie bei den Männern. Wrestlerinnen wie Gabert haben einen großen Anteil an dieser positiven Entwicklung. „Es ist die Arbeit von mir und vielen meiner Gegnerinnen. Natürlich könnte ich jetzt dreißig Kilo abnehmen und dann auch so sexy aussehen. Aber wir haben uns bewusst dagegen entschieden, weil wir wirklich für unsere Leistung akzeptiert werden wollen.“

Frauen-Wrestling in Deutschland hinkt hinterher

Das Frauen-Wrestling in Deutschland ist leider in den Nullerjahren stecken geblieben. Viele Wrestlerinnen betreiben diese Sportart nicht professionell, sondern nur als Hobby. Doch es liegt laut Gabert auch an den Promotern hierzulande. „Generell wollen die kein Geld für Frauen ausgeben. Es hapert auch oft an den Gegnerinnen. Es wäre ja kein Problem, Mädels aus England zu engagieren. Dort gibt es Wrestlerinnen wie Sand am Meer.“ Aber das sei es den Promotern nicht wert, weshalb es dementsprechend sehr wenig Frauen-Wrestling in Deutschland gäbe.

Gabert erzählt, dass Frauen im Wrestling immer noch mit Vorurteilen und Anfeindungen zu kämpfen haben, jedoch mit einer Einschränkung. „Mittlerweile geschieht es nicht mehr so offen. Aber ich weiß, dass es hinter vorgehaltener Hand noch viele Männer und Promoter gibt, die sagen, ‚Wir hassen Frauen und haben keinen Bock, dass die uns die Show stehlen.‘ Aber die müssen uns jetzt akzeptieren.“

Gaberts Traum wird zum Alptraum

Doch Gabert ließ sich nie beirren. Trotz aller Widerstände, vor allem zu Beginn ihrer Karriere, und dank harter Arbeit schaffte sie es, sich als Alpha Female international einen Namen zu machen. Nach Auftritten in Großbritannien und Japan wurde 2017 schließlich die WWE auf sie aufmerksam und bot ihr einen Vertrag an. Es kam jedoch eine schwerwiegende Nackenverletzung dazwischen. Als diese ausgestanden war, startete sie in England in der WWE-Nachwuchsliga NXT UK. Ihr großes Ziel war aber immer, nach Amerika zu gehen. Doch das Versprechen seitens der WWE, ihr diesen Traum zu erfüllen, wurde nicht eingehalten. Anfang des Jahres verlängerte Gabert ihren Vertrag nicht.

Wrestling ist ein Teamsport. Das heißt, wenn du und ich einen richtig coolen Kampf abliefern, dann bucht uns der Promoter am nächsten Tag nochmal. Deswegen müssen wir zusammenarbeiten.

Statt ihren Traum in Amerika zu leben, musste Gabert erleben, dass Wrestling auch dunkle Seiten hat. Sie berichtet von Rassismus, Sexismus und Mobbing während ihrer Zeit in England. Von Kolleginnen, die sich weigern, mit ihr zu sprechen und sogar versuchten, sie absichtlich beim Training zu verletzen. „Meine Gesundheit für so wenig Geld auf’s Spiel zu setzen, das war es mir einfach nicht wert.“ England sei jedoch eine Ausnahme. In Japan oder den USA sei der Zusammenhalt unter den Frauen sehr viel stärker. Denn was viele vergessen: „Wrestling ist ein Teamsport. Das heißt, wenn du und ich einen richtig coolen Kampf abliefern, dann bucht uns der Promoter am nächsten Tag nochmal. Deswegen müssen wir zusammenarbeiten.“

Dass es noch ein weiter Weg zur Gleichberechtigung im Wrestling ist, zeigt auch die #speakingout-Bewegung in den sozialen Medien. Hier meldeten sich in den letzten Wochen immer mehr Wrestlerinnen zu Wort, die von sexuellen Übergriffen, Beleidigungen und Benachteiligungen durch Kollegen, Trainern und Promotern berichten. Für Gabert sind diese Vorwürfe leider nichts Neues, hat sie doch ähnliche Erfahrungen sammeln müssen. „Früher kam es zum Beispiel oft vor, dass mich jemand begrapscht hat, ich aber meinen Mund hielt. Denn derjenige hatte die Macht darüber, ob ich nochmal gebucht werde oder nicht. Und das wollte ich mir einfach nicht versauen.“ Deshalb fände sie „es echt sehr stark von den Mädels, dass sie jetzt auspacken.“

Ein Leben ohne Wrestling?

Die schlechten Erfahrungen in der WWE, die Verletzungssorgen und natürlich die Corona-Pandemie führten schließlich dazu, dass sich Gabert vorerst aus dem internationalen Geschäft zurückzog. Mit einem Lächeln erzählt sie: „In diesem Moment fühle ich mich total happy. Ich habe keine Schmerzen, und der ganze Druck ist irgendwie weg. Corona gibt uns allen eine gute Auszeit, nachzudenken. NXT UK hat mir halt die Liebe zum Wrestling total genommen.“ Untätig war sie aber dennoch nicht. Bereits letztes Jahr war sie mit Udo Lindenberg, einem großen Wrestling-Fan, auf Tour. Diese soll nächstes Jahr fortgesetzt werden. Und Anfang des Jahres gründete sie sogar ihre eigene Wrestling-Promotion-Firma Sirius Sports Entertainment. Ganz abgeschlossen mit dem Wrestling hat sie also nicht. „Vielleicht packt mich das Fieber wieder, wer weiß.“

Einen Traum hat Gabert übrigens noch. Sie möchte irgendwann einmal Sportlerin des Jahres werden. Für die Anerkennung von Wrestling als Sport kämpft sie nämlich. „Wrestling tut brutal weh. Das ist es, was die Leute meistens nicht verstehen. Show bedeutet das, was wir im Ring darstellen. Aber die Schläge, die Tritte, die Würfe, das ist alles echt. Jemand untrainiertes könnte da nicht mithalten.“ Und wer einmal Jazzy Gabert alias Alpha Female live gesehen hat, würde das sofort unterschreiben.

Verfasst von Katarina Schubert

Erschienen in Sportarten am 01. August 2020

Weitere Artikel