Eishockey

Jule Nell im Interview: ,Wettkampf liegt in der DNA der funktionalen Fitness'

ExklusivJule Nell, Vizepräsidentin des Deutschen Bundesverbands Funktionaler Fitness, im Interview über die Sportart und die Zukunftspläne des Verbands.

Seit 2020 ist Jule Nell Vizepräsidentin des Deutschen Bundesverbands Funktionaler Fitness. Dort kümmert sie sich um die Finanzen, verwaltet Anträge, betreut Studios und koordiniert bei der Deutschen Meisterschaft die Helferinnen und Helfer. Für den eigenen Wettkampf bleibt da keine Zeit mehr. Wir haben mit ihr über die DNA von funktionaler Fitness, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und die Zukunftspläne des Bundesverbands gesprochen.

Jule, was unterscheidet funktionale Fitness von der Fitness, wie sie Hundertausende im Studio betreiben?

„Im Studio stehen viele Geräte wie beispielsweise ein Beinstrecker. Dort werden alle Übungen isoliert voneinander ausgeführt. Bei funktionaler Fitness gibt es außer im Cardiobereich keinerlei Geräte. Alle Übungen werden mit freien Gewichten ausgeführt. Ein zweiter großer Unterschied: Es gibt Regeln, wo du eine Übung beginnen musst und wo sie aufzuhören hat. Zum Beispiel muss die Brust zu Beginn einer bestimmten Übung auf dem Boden liegen.“

Das klingt nach Wettkampfcharakter.

„Die Wettkampforientierung liegt in der DNA der funktionalen Fitness. Die Übungen sind immer darauf ausgelegt, besser zu werden, schwerere Gewichte zu nutzen, schneller zu sein. Natürlich melden sich auch Menschen in einer Box an, ohne an Wettkampf interessiert zu sein. Aber bei mir zum Beispiel war von Anfang an klar, dass ich einen Sport suche, in dem ich mich mit anderen messen kann.“

Wie bist du auf funktionale Fitness gekommen?

„Mit meiner Gastschwester in Kolumbien habe ich mich während meinem Freiwilligendienst zum ersten Mal in einem Fitnessstudio angemeldet. Die Übungen an den Geräten wurden aber schnell monoton. Dann habe ich ein Plakat von funktionaler Fitness gesehen, auf dem die Frauen super athletisch aussehen und top trainiert. Das hat mich fasziniert und ich habe mich selbst in einer Box angemeldet.“

In erster Linie geht es dort aber nicht ums Abnehmen oder das Aussehen, sondern um körperliche Leistung, oder?

„Der größte Grund, warum sich viele in einer Box anmelden, ist schon, dass sie abnehmen oder einfach fitter sein wollen. Wer ein bisschen länger dabei ist, bei dem rückt automatisch aber der Leistungsaspekt mehr in den Vordergrund. Man probiert sich an schwierigeren Varianten und der ästhetische Aspekt verliert mehr an Wichtigkeit. Wobei Männer von Haus aus deutlich wettkampforientierter an die Sache herangehen, das bemerke ich in meiner Funktion als Trainerin immer wieder. Ihnen fällt es schwieriger, geduldig zu sein mit dem Fortschritt. Frauen dagegen haben eher Respekt vor höheren Gewichten und achten mehr darauf, die Übungen besonders gut auszuführen.“

Spielt die schöne Ausführung bei Wettkämpfen eine Rolle?

„Die Technik wird nicht bewertet, nur eben der richtige Start- und Endpunkt der Übung. Die Wertung erfolgt nach Leistung, also danach, wie viele Wiederholungen du schaffst, mit wie viel Gewicht und wie schnell. Bei jedem Wettkampf gibt es verschiedene Workouts, die absolviert werden müssen. Gemeinsam mit anderen Athletinnen muss man sich dann auf der Wettkampffläche einfinden und diese ausführen.“

© Boris Fischer

Unterscheiden sich die Workouts bei Männern und Frauen?

„Die Workouts sind dieselben, nur die Gewichte oder etwa die Sprunghöhe werden angepasst. Bei uns im Bundesverband diskutieren wir derzeit darüber, wie wir damit umgehen, wenn Menschen ihr Geschlecht wechseln. Wo soll man sich dann anmelden? Diese Frage ist sehr komplex, denn sowohl das eine als auch das andere Geschlecht wird dem dann nicht gerecht. Wir haben auch schon darüber nachgedacht, eine dritte Klasse einzuführen. Aber die Nachfrage ist aktuell nicht groß genug, daher werden wir das weiterhin beobachten. Zumindest von unseren deutschlandweit mehr als 800 Mitgliedern hat sich noch niemand als divers oder ohne Geschlecht angemeldet.“

Diese Frage ist nicht die einzige, mit der ihr euch aktuell beschäftigt …

„Ein großes Thema ist für unseren Verband die Dezentralisierung. Die Deutsche Meisterschaft mit den Landes- und Regionalmeisterschaften wird komplett vom Bundesverband organisiert, da es unterhalb aktuell noch keine Struktur gibt. Das wollen wir in Zukunft ändern und uns organisatorisch anders aufstellen, um auch eine breitere Masse ansprechen zu können.“

Außerdem wollt ihr olympisch werden, oder?

„Genau. Von einer Zugehörigkeit zu den olympischen Sportarten erhoffen wir uns einen großen Zuwachs gerade bei den Jüngeren. Wenn wir Sportlerinnen und Sportler zu Olympia schicken können, bieten wir damit Vorbilder. Außerdem können wir dann eine Förderung für Spitzenathleten erhalten. Der Weg zu Olympia ist aber weit und um die Bewerbung muss sich der Weltverband kümmern. Die nächsten Schritte wären erst einmal Teil der World Games oder anderer Multisportveranstaltungen zu werden.“

Welche Möglichkeiten siehst du noch, mehr und jüngere Menschen für funktionale Fitness zu interessieren?

„Ein großer Attraktivitätsfaktor der Sportart ist, dass man ein Generalist sein muss. Funktionale Fitness deckt alle Körperpartien ab, das motiviert viele, den Sport auszuprobieren. Aber dieses rationale Denken ist natürlich eher etwas für Erwachsene. Bei Kindern und Jugendlichen sehe ich den Weg über Vereine und Schulen. Doch da fehlt es uns an Strukturen, um hier aktiv zu werden. Daher ist das noch ein langer Weg.“


Du willst mehr über den Bundesverband und die diesjährige Deutsche Meisterschaft erfahren? Dann schau doch mal hier vorbei! Übrigens: Die Sportart "Funktionale Fitness" wird vom Weltverband durch sechs Kategorien definiert. "CrossFit" dagegen ist nur ein Teil der funktionalen Fitness und nicht direkt damit gleichzusetzen.

Erschienen in Frauen im Sportbusiness am 17. Mai 2022

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