Wintersport

Von Gleichberechtigung im Bobsport und dem Los als Anschieberin

ExklusivKatharina Mähring ist von der Leichtathletik zum Bobsport gewechselt. Sie will in diesem Sport noch einiges erreichen – wenn auch sie als Anschieberin eher in zweiter Reihe steht und auch als Frau noch immer benachteiligt ist.

Zum Start der Bob-Saison 2014/15 änderte der Weltverband FIBT eine vermeintlich faire Regelung: Im Viererbob sind seither auch Frauen erlaubt – allerdings nur im gemeinsamen Wettbewerb mit Männern. Ein FAZ-Redakteur beschrieb es damals treffend mit folgenden Worten: „Frauen dürfen künftig im Viererbob fahren. Nein, nicht allein, dafür reicht’s dann offenbar noch nicht. Die Schlitten, hieß es schon vor Jahren, seien doch viel zu schwer für die Damen. Aber wenn Frauen zusammen mit starken Männern, also in einer gemischten Besatzung, an den Start gehen, dann sieht die Welt-Bob-Führung kein Problem.“

Kein Viererbob – dafür der Monobob

Dass dieser Schritt nicht etwa ein Schritt zu mehr Gleichberechtigung im Bob-Sport war, schien von Beginn an klar. Kein Viererbob-Team tritt heute gemischt auf. Und reine Frauen-Viererbobs sind nach wie vor nur im Wettbewerb mit Männern erlaubt. Dafür wird 2022 bei den Olympischen Spielen eine neue Disziplin für die Damen eingeführt: Neben dem Zweierbob dürfen sie nun auch Monobob fahren.

Unter den Bob-Fahrerinnen gilt der Monobob als Anfängerschlitten. „Und jetzt wird er olympisch“, wundert sich Katharina Mähring. Die 25-Jährige ist seit gut einem Jahr als Anschieberin im Bobsport dabei und hat schon nach kurzer Zeit festgestellt: Gleichberechtigung herrscht hier noch nicht. Als ehemalige Leichtathletin ist sie anderes gewohnt. „In der Leichtathletik geht es in Bezug auf Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern deutlicher fairer zu. Da ist man Leistungssportler:in und es spielt keine Rolle, ob Mann oder Frau“, erinnert sich Katharina. Viele Jahre war sie im Kugelstoßen und Hammerwurf aktiv, trainierte etwa mit Wurf-Ikone Betty Heidler. Doch nachdem sie ihren Bachelor in Kommunikationswissenschaften abgeschlossen hatte, wollte Katharina etwas Neues probieren – und hat den Weg zum Bobsport gefunden.

Katharina_Kugelstoßen.png Katharina Mähring kommt aus dem Kugelstoßen. Foto: Peter Salzer

Auf der Suche nach einer Pilotin

Ehemalige Leichtathlet:innen sind im Bobsport keine Seltenheit. Auch die Pilotinnen Mariama Jamanka und Lisa Buckwitz kommen aus dieser Sportart. Mit Lisa Buckwitz ist Katharina auch schon einige Rennen gefahren, vor allem aber war sie Anschieberin der rumänischen Pilotin Maria Constantin. „Mit ihr wollte ich auch diese Saison fahren, nun aber hat sie sich entschieden, aufzuhören“, sagt Katharina. Sie sucht aktuell eine neue Pilotin – doch das dürfte nicht schwer werden. Meist gibt es zu wenige Anschieberinnen.

Zwischen den Spitzenmannschaften liegen im Ziel häufig nur wenige Hundertstelsekunden. Und die Entscheidung fällt nicht selten bereits in der Anschub- und Startphase. Daher macht Katharina einen wichtigen, wenn auch undankbaren Job. „Manchmal finde ich es schon schade, dass wir als Anschieberinnen eher hintenanstehen, wenn es um die Aufmerksamkeit geht“, gibt sie zu. Doch um selbst Pilotin zu werden sei sie schon zu alt.

Materialwahl kann entscheidend sein

Beim Bobsport geht es auch nicht allein um sportliche Leistung, das Material spielt eine wichtige Rolle. Katharina selbst saß auch schon in älteren Bobs, in denen sie sogar ein Polster benötigte, um nicht voller blauer Flecke wieder auszusteigen. Hier hat sich viel getan in den vergangenen Jahren, gerade die Diskussionen um die besten Kufen können durchaus polarisieren. „Mit der Materialwahl habe ich nichts zu tun, die Pilotin gibt die Kufen vor“, erzählt Katharina. „Natürlich muss man sportlich extrem fit sein, um in diesem Sport etwas zu erreichen. Wenn es aber am Schluss um Hundertstel geht, ist das Material entscheidend“, ist die Studentin sicher. Wenn auch sie von sich selbst sagt, hier noch eine Menge lernen zu können.

Katharina will mit dem Bob noch internationale Wettkampfluft schnuppern. Der Europacup im kommenden Jahr ist ihr nächstes großes Ziel. Und natürlich träumt sie wie die meisten Athlet:innen von den Olympischen Spielen. Doch wie es sportlich für sie weitergeht, hängt auch von ihrem beruflichen Weg ab. In Salzburg macht Katharina aktuell ihren Master in Kommunikationswissenschaften, hier trainiert sie auch.

„Mein Traum war immer, Sportmoderatorin zu werden. Doch Sportjournalismus besteht vor allem aus Fußball und da sehe ich mich nicht. Daher muss ich mir das noch genau überlegen.“

Corona schränkt auch den Bobsport ein

Jetzt steht erst einmal die neue Wintersaison an. Doch auch der Bobsport bleibt von Corona natürlich nicht verschont. Die Deutschen Anschubmeisterschaften am 10. Oktober in Oberhof wurden aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt, die Bahn in Königsee wird später als sonst vereist. Die Weltcups sollen nach aktuellem Stand im November starten. „Aktuell trainieren viele von uns noch einzeln und beim Anschieben müssen wir einen Helm mit Visier tragen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht“, sagt Katharina.

Nicht nur mit der Saison, sondern auch in Sachen Gleichberechtigung. Der 25-Jährigen ist das Thema ein wichtiges Anliegen. Daher engagiert sie sich auch im Rahmen der Gründung eines Vereins, der sich mit dem Thema „Gleichberechtigung für Frauen im Sport“ auseinandersetzen wird. Sie sagt: „Im Sport kommen Frauen viel schneller an ein Limit, vor allem was die finanziellen Möglichkeiten angeht. Auch im Bobsport. Ich möchte gerne meinen Teil dazu beitragen, hier etwas zu ändern.“

Erschienen in Bob/Rennrodeln am 15. September 2020

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