Wintersport

Laura Grasemann: Kämpferin der Buckelpiste – Interview Teil 2

Laura Grasemann fährt wie kaum eine andere Deutsche über die Buckelpiste. Nicht nur auf der Piste kämpft die 28-jährige unermüdlich. Ihren Sport betreibt sie auf eigene Kosten, weil die Förderung für die Sportart gestrichen wurde.

Laura Grasemann ist Freestyle-Skierin. In der Disziplin Buckelpiste startet die Sportlerin vom Ski Club Wiesloch in Rennen auf der ganzen Welt. Über ihren Sport, die Olympischen Spiele und ihre größten Erfolge haben wir mit Laura Grasemann bereits im ersten Teil unseres Interviews gesprochen.

Nach einem ihrer größten Karriere-Highlights, den Olympischen Spiele 2014 in Sotschi, stand ihre Karriere vor dem Ende. Der Deutsche Skiverband stellte die Förderung ihrer Sportart ein. Doch Aufgeben war für die 28-Jährige keine Option. Was sie motiviert hat weiter zu machen, wie sie ihre Saison finanziert und was sie sich für den Sport wünscht, hat sie uns im zweiten Teil des Interview verraten.

Einen Monat nach den Olympischen Spielen mussten Sie erfahren, dass der Deutsche Skiverband die Förderung Ihrer Disziplin einstellt. Dies umfasst sowohl die finanzielle Unterstützung als auch Fördermöglichkeiten im Leistungssport, wie Sporthilfe und Ausbildungsplätze in staatlichen Organisationen wie Bundeswehr oder Zoll. Haben Sie in diesem Moment darüber nachgedacht aufzuhören?

„Natürlich habe ich daran gedacht aufzuhören, das war auch die ursprüngliche Intention des Deutschen Skiverbandes. Damit, dass wir uns so lange unter den widrigen Bedingungen „durchschlagen“ hat wohl keiner gerechnet.“

Was hat Sie motiviert weiterzumachen?

„Die Teilnahme an den Olympischen Spielen hat mich motiviert. Außerdem wusste ich, dass ich noch Potential habe, mich zu verbessern. Im Gegensatz zum Deutschen Skiverband habe ich an das Potential der gesamten Mannschaft geglaubt und gewusst, dass wir es in die Weltspitze schaffen können. Wir waren damals eine junge Mannschaft und hatten viele talentierte Athleten, die einfach noch ein paar Jahre gebraucht hätten und haben. Vor allem aber lege ich viel Wert darauf, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und Entscheidungen, die mich betreffen, selbst zu treffen. Ich habe ich mir noch nie gerne sagen lassen, was möglich ist und was nicht. Skifahren war schon immer meine große Leidenschaft – die lasse ich mir nicht nehmen.“

Ihnen fehlt durch die fehlende Förderung auch ein hauptamtlicher Trainer. Wie organisieren Sie ihr Training?

„Nachdem durch meine Promotion zusätzlich in der Schweiz wohne, trainiere ich viel für mich alleine. Das geht für mich vergleichsweise gut, weil ich mittlerweile sehr routiniert bin und von meinen vielen Trainern viel gelernt habe, was ich für mein Training nutzen kann. Für das skispezifische Training habe ich dennoch sehr gerne einen Trainer an meiner Seite. Hier hilft mir unser derzeitiger deutscher Trainer, mein Bruder Tim. Das ist nicht immer möglich, weil Tim selbst Student ist. Dann hole ich mir international Hilfe. Ich habe unter anderem mit einem schwedischen Team trainiert, einem internationalen Team mit französischem Trainer und auch Korea und Kasachstan haben mir ausgeholfen. In der vergangenen Saison war ich mit einem US-amerikanischen Team auf einigen Weltcups und dieses Jahr durfte ich mit dem finnischen Team zusammen die Weltcups in Nordamerika bestreiten."

Ein großer Zusammenhalt!

"Es ist unglaublich schön zu sehen und ich bin sehr dankbar, dass die Gemeinschaft der Freestyler so hilfsbereit ist und dass mir international so viele Teams aushelfen und mich unterstützen, obwohl ich eigentlich zur Konkurrenz gehöre. Dieser internationale Zusammenhalt und diese Hilfsbereitschaft sind von unschätzbarem Wert und sind ein Paradebeispiel für die Vorbildfunktion des Sports. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich das erleben darf.“

Laura4_Foto_Taro Tanpo.jpg Laura Grasemann kämpft dafür, ihren Sport ausüben zu können. Foto: Taro Tanpo

Im Jahr 2016 gründeten Sie gemeinsam mit der deutschen Buckelpistenmannschaft ihr eigenes Team (Freestyleteam Moguls Germany), um eine grundlegende Finanzierung durch Sponsoren zu ermöglichen. Ohne Förderung durch den DSV müssen Sie Startgebühren, Flüge, Unterkünfte und Trainer aus eigener Kasse bezahlen. Wie schaffen Sie es ihre Saison selbst zu organisieren und vor allem zu finanzieren?

„Die Saison zu organisieren ist natürlich sehr viel Arbeit, vermutlich mehr als man sich zunächst vorstellen kann. Wenn meine Trainer aus Deutschland nicht mitreisen können, muss ich mir ein neues Team suchen. Außerdem müssen Flüge koordiniert werden, Autofahrten organisiert werden (ein Mietwagen überall für eine Person würde jegliches Budget sprengen), die Unterbringung in der Unterkunft mit dem neuen Team muss organisiert werden und nicht zuletzt muss geklärt werden, wie man die Abrechnung gerecht aufteilt. Der finanzielle Aspekt ist natürlich auch nicht einfach zu lösen. Seit einem Jahr habe ich in der Schweiz ein festes Gehalt, das gibt mir viel Planungssicherheit. Davor war ich darauf angewiesen, dass ich meine Saison durch Sponsorengelder, Preisgelder, Stipendien und Sporthilfeförderung sowie Gelegenheitsjobs, meist in Form von Vorträgen oder Trainertätigkeiten, finanziere."

Hatten Sie bezüglich der Finanzierung auch schon Probleme?

"In der olympischen Saison 2017/2018 ist mein Stipendium und meine Förderung durch die Deutsche Sporthilfe auf Grund von Umstrukturierungen der Förderstruktur weggefallen. Das war hart, weil ich das Geld bereits fest einkalkuliert hatte. Damals hat mir die Willi Robert Pitzer Stiftung ausgeholfen, meine Saisonfinanzierung gerettet und damit den Traum von Olympia am Leben gehalten, dafür bin ich bis heute unendlich dankbar. Auch bei meinen Sponsoren gibt es einige, die mich seit Jahren unterstützen und mir Vertrauen entgegenbringen. Neben der finanziellen Absicherung ist dieses Vertrauen auch in mentaler Hinsicht von unvorstellbarem Wert, insbesondere wenn man vom deutschen Sportsystem so wenig Wertschätzung und Unterstützung erfährt.“

Was kostet Sie eine Saison?

„Eine volle Saison mit Trainingslagern und allen Wettkämpfen kostet etwa 30.000 Euro. Mittlerweile sind meine Saisons ein bisschen günstiger, weil ich aufgrund der Arbeit leider nicht mehr an allen Trainingslagern und Wettkämpfen teilnehmen kann.“

Mit Studium und Promotion scheint Ihr Leben nach dem Sport schon gut geplant. Wie lange wollen Sie noch weitermachen?

„Ich lasse das auf mich zukommen. Das Gute an unserer derzeitigen Situation ist, dass ich auf niemanden angewiesen bin und umgekehrt auch niemand auf mich angewiesen ist, was mir eine Entscheidungsfreiheit gibt, die ich auch nutze.“

Was wünschen Sie sich für Ihre Sportart und auch für ihre persönliche sportliche Zukunft?

„Ich wünsche mir eine gerechte und faire Behandlung sowohl für meine als auch für alle anderen Sportarten. Ich wünsche mir, dass alle Sportler, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Sportart, oder anderen Äußerlichkeiten, die Anerkennung erfahren, die sie verdienen. Außerdem wünsche ich mir Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Transparenz und Chancengleichheit und ich wünsche mir, dass der Sport für die Werte einsteht, für die er als Vorbild dienen soll.“

Jana Glose

Jana Glose

Erschienen in Wintersport am 14. Mai 2020

Weitere Artikel