An die Schwerter: Carla Huvermann und Amelie Eilken über eine historische und doch junge Sportart

ExklusivNach Jahrhunderte alten Regeln treiben Carla Huvermann und Amelie Eilken Sport: Beim historischen Schwertkampf bedienen sie sich alter Quellen und nutzen Waffen, wie sie schon in der Renaissance verwendet wurden. Die Sportart selbst existiert noch gar nicht so lange und vor allem in Deutschland ist sie noch jung.

An der Wand hinter Amelie Eilken (35) hängen viele verschiedene Schwerter – kleine, große, mit breiter Klinge, spitze, gebogene. Auch an den anderen Wänden ihres Wohnzimmers sieht die Dekoration so oder so ähnlich aus. Dabei sind die historischen Waffen viel mehr als dekorative Elemente. Sie sind Sportgeräte. Denn Amelie macht seit rund sieben Jahren beim Hamburger Verein Hammaborg historischen Schwertkampf. Und dieser Kampfsport ist – auch wenn der Name das womöglich anders assoziiert – noch eine recht junge Sportart.

Zu den historischen europäischen Kampfkünsten zählen etwa Disziplinen aus dem Mittelalter mit Dolchen, Schwertern und Stangenwaffen, aber auch Kampfkünste anderer Epochen mit Degen und Säbeln bis hin zum Spazierstockfechten. Seit einigen Jahrzehnten werden in den verschiedenen Disziplinen weltweit Turniere und Wettkämpfe angeboten. Das erste große Turnier fand 2005 statt. Um in Deutschland diese historischen Kampfkünste zu fördern und zu erhalten, wurde 2014 der Deutsche Dachverband für Historisches Fechten e. V. (DDHF) gegründet. 

Nach den Regeln der Renaissance

Amelie hat sich vor einigen Jahren zum Ziel gesetzt, zwei neue Sportarten zu erlernen. Ihr damaliger Mitbewohner hat den historischen Schwertkampf vorgeschlagen. „Beim ersten Training war ich gleich fasziniert. Dieser Sport hat eine echte Geschichte und beruht auf einem Jahrhunderte alten System“, erzählt sie und noch heute lässt sich die Begeisterung an ihren Augen ablesen. Mit insgesamt rund 120 Mitgliedern trainiert Amelie regelmäßig nach den Regeln vor allem aus der Renaissance. Einige Ähnlichkeiten zum modernen Fechtkampf bestehen durchaus – und doch sind die Unterschiede groß. 

Dieser Sport hat eine echte Geschichte und beruht auf einem Jahrhunderte alten System.

Durch die verschiedenen Waffen, die beim Schwertkampf zum Einsatz kommen dürfen, unterscheiden sich auch die Techniken vom Fechten. Während ein Degen beim modernen Fechten rund 700 Gramm wiegt, kann ein Schwert oder eine sogenannte Feder – die historisch korrekte Trainingswaffe für das lange Schwert – auch mal eineinhalb Kilo schwer sein. Auch die Ausrüstung ist schwerer und umfangreicher: Die Handschuhe sind dicker, ein Hals- und Brustschutz kommen zum Einsatz, verschiedene Protektoren und Schoner schützen den Körper. Aber: Auch wenn die Waffen, die hinter Amelie an der Wand hängen danach aussehen, gefährlich ist der Sport nicht. Außer geprellten Fingern passiert nur ganz selten eine Verletzung und dann auch weniger beim Kampf als beim bloßen Trainieren. 


Amelie 
Eilken ist auch als Trainerin aktiv. Foto: Andreas Ruhrmann

Eine männerdominierte Sportart

Im Training stehen zwar auch Dehnen und Kraft auf dem Programm, einen großen Teil aber machen Sparrings aus, also Übungskämpfe mit einem/einer Trainingspartner:in. Auch Carla Huvermann (22) kämpft schon seit mehreren Jahren mit dem Schwert, mit 15 Jahren hat sie angefangen. „Unser Training ist sehr an Turnieren orientiert, daher bauen wir viele Sparrings mit ein“, erzählt sie. In ihrem Verein Grün-Weiß Holten in Oberhausen betreiben deutlich weniger Athlet:innen die Sportart, als bei den Hammaborgs in Hamburg. „Vor allem ist es auch eine sehr männerdominierte Sportart“, sagt Carla. „Aber das hat mich nie gestört.“ 

Weil es aber noch so wenige Mädchen und Frauen im historischen Schwertkampf gibt, sind derzeit auch nur acht von möglichen zehn Plätzen im Damen-Nationalkader belegt. Zwei davon durch Carla und Amelie. „Zweimal im Jahr treffen wir uns zu Trainingslagern und sehen uns sonst bei Wettkämpfen“, sagt Carla. Das größte Turnier der Szene findet dabei in Göteborg, Schweden statt und gilt in der Szene als eine Weltmeisterschaft. Beim „Swordfish“ kommen Schwertkämpfer:innen aus aller Welt, auch aus den USA oder Russland. Carla hat dort mit dem dritten Platz schon eine Medaille gewonnen und wurde mit dem Technical Award ausgezeichnet. 


Carla 
Huvermann beim Dutch Lions Cup. Foto: Matt Galas

IFHEMA-Cup 2021 in Deutschland

In diesem Jahr kann das für November geplante Turnier in Schweden coronabedingt nicht stattfinden, daher wird Carla bei einem Wettbewerb in Budapest teilnehmen. In Deutschland ist die Szene noch verhältnismäßig klein und auch größere Turniere eine Seltenheit. Ende des Jahres wird aber der diesjährige IFHEMA-Cup in München ausgetragen, bei dem Carla und Amelie mit dem Nationalkader gegen bis zu neun andere Nationen antreten werden. Die Planungen zum Turnier laufen derzeit noch. „Der Cup ist wie eine Art Weltmeisterschaft, die hier in Deutschland zu haben ist super“, sagen beide. 

Damit es bald mehr Frauen im historischen Schwertkampf und dadurch auch mehr Turnierangebote gibt, ist Amelie auch als Trainerin aktiv und organisiert regelmäßig Veranstaltungen nur für Frauen. Beispielsweise das sHEMAsters-Wochenende. „Es gibt einige Frauen, denen fehlt einfach das notwendige Selbstbewusstsein, sich auch mal bei einem Turnier anzumelden“, sagt Carla. Amelie ergänzt: 

Frauen sind in der Sportart total willkommen und wir befinden uns auf einem guten Weg zu einer höheren Frauenquote.

Erschienen in Kampfsport am 27. September 2021

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