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Training, Träume, Tränen: Sarah Scheurich lebt für das Boxen

Medaillen bei Europameisterschaften, Deutsche Meistertitel, zahlreiche gewonnene Kämpfe: Sarah Scheurich (26) hat in ihrer Box-Karriere viele Siege errungen. Doch sie kämpft nicht nur gegen Konkurrentinnen im Ring, sondern auch gegen Vorurteile.

Sarah Scheurich sitzt in ihrer Wohnung in Schwerin vor dem Bett und macht den Sonnengruß. Die 26-Jährige ist Boxerin und hält sich mit Yoga fit, solange die Coronakrise ihr den Weg in die Boxhalle versperrt. Boxen und Yoga – wie passt das zusammen? Die Yogaübungen machen den Körper geschmeidig, beweglich und verleihen ihm mehr Stabilität. Passt also perfekt. Genauso wie Frauen und Boxen. „Ich habe mich sehr daran gestört, welches Bild von Frauen beim Boxen in der Gesellschaft kursiert. Ich sehe es daher als meine Pflicht, mit all den Vorurteilen aufzuräumen“, sagt Sarah. Daher ist sie auf Instagram sehr aktiv und zeigt, wie ihr Leben wirklich ist.

Sarah gibt intime Momente von sich preis

„Du siehst gar nicht aus wie eine Boxerin.“ Damit wird Sarah häufig konfrontiert. Aber wie sieht eine Boxerin denn aus? Blutergüsse auf den Armen, blaue Augen und eine schiefe Nase? Sarah lacht. „Meine Nase ist tatsächlich etwas schief, weil ich sie mir als Kind mal gebrochen habe. Mit Boxen hatte das aber rein gar nichts zu tun.“ Ihr ist vor allem wichtig, jungen Mädchen zu zeigen, wie toll der Sport ist und sie zu motivieren. Dazu erzählt Sarah auch mal von sehr persönlichen Momenten. „Ich habe im Training einen total harten Schlag abbekommen und danach geweint. Das habe ich gepostet und viele Nachrichten von jungen Mädchen erhalten, wie sehr sie diese Geschichte gefreut habe. Sie dachten, wer beim Boxen weint, sollte den Sport lieber nicht machen.“ Sarah schüttelt den Kopf. Das ist eben wieder eines dieser Klischees vom „Prügelsport“.

Sarah-Scheurich.png Foto: Marten Lange

Sarah genießt die Zwangspause durch das Coronavirus. Die vergangenen Monate haben an ihr gezehrt, den Körper stark beansprucht. Durch die Vorbereitung auf Olympia 2020 in Tokio war sie bei sehr vielen Wettkämpfen und Turnieren dabei, um sich letztlich zu qualifizieren. Jetzt ist Olympia erst einmal verschoben auf 2021. „Das war die einzig richtige Entscheidung“, sagt Sarah. „Klar, da hängt viel Geld dran. Aber die Spiele durchzuführen wäre unverantwortlich gewesen und trainieren kann aktuell sowieso kaum jemand wirklich.“

Boxen für Frauen erst seit 2012 olympisch

Als Sarah vor über 20 Jahren mit Kampfsport begonnen hat, war Boxen für Frauen noch nicht olympisch. Trotzdem war es immer ihr Traum, einmal an den Spielen teilzunehmen. Sarah war fünf Jahre alt, als sie mit Kampfsport begonnen hat. „Ich war ein sehr aufgedrehtes Kind und meine Eltern mussten mich irgendwie beschäftigen“, erinnert sie sich. Ab der siebten Klasse wechselte Sarah aufs Sportgymnasium in Schwerin und hat dort mit Boxen begonnen. Sie und die Jungs. Aber erst als Boxen 2012 auch für Frauen tatsächlich olympisch wurde, bekam Sarah eine entsprechende Förderung. Für Rio 2016 hat es wegen eines verlorenen Kampfes nicht gereicht. Aber das ist eben auch eine Seite des Leistungssports, Höhen und Tiefen liegen eng zusammen.

Durch das Sportförderprogramm der Bundeswehr kann sich Sarah voll auf den Sport konzentrieren. Das ist auch notwendig. „Viele unserer Einheiten sind so anstrengend, dass ich zwischendrin schlafe, um für das nächste Training wieder fit zu sein“, erzählt die Schwerinerin. Trainiert wird meistens zweimal am Tag, auch am Wochenende. In der heißen Phase können es auch mal drei Einheiten sein. Sarah trainiert dabei vor allem die verschiedenen Techniken beim Boxen, aber auch Kraft und Ausdauer stehen auf dem Plan. „Boxen ist total vielseitig. Man beansprucht dabei den kompletten Körper.“ Mit ihren 1,83 Meter ist Sarah für eine Boxerin sehr groß. Das macht es schwer, geeignete Trainingspartnerinnen zu finden, daher boxt sie häufig gegen Männer, die noch etwas unerfahrener sind.

"Dieses Gefühl ist einfach krass. Da fließt super viel Adrenalin durch meinen Körper." Sarah Scheurich über das Gefühl im Ring

Obwohl Boxen eine Einzelsportart ist, liebt Sarah die Arbeit im Team. In der Nationalmannschaft ist der Zusammenhalt groß und mit ihrem Trainer Michael Timm arbeitet sie schon lange zusammen. Bis zum Moment im Ring, wenn sie dann allein ist. „Dieses Gefühl ist einfach krass. Da fließt super viel Adrenalin durch meinen Körper“, schwärmt Sarah.

Nicht alle Gewichtsklassen im Boxen sind olympisch. Das stellt Sarah vor eine Herausforderung. Sie muss immer ihr Gewicht halten – ob im Urlaub, vor oder nach dem Kampf. „Ich achte daher stark auf meine Ernährung“, sagt Sarah. Gut, dass kochen und backen zu ihren Hobbys zählen. Für viel mehr bleibt auch gar keine Zeit. Hin und wieder besucht sie ihre Eltern auf dem Land, und die restlichen Minuten und Stunden nutzt Sarah, um ihren Instagram-Kanal zu füllen. Um endlich klarzumachen: Frauen und Boxen passt wunderbar zusammen – und Boxerinnen sind genauso Frau wie jede andere Sportlerin auch.

Verfasst von Nina Probst

Erschienen in Kampfsport am 02. April 2020

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