Motorsport

Wie die W Series den Motorsport weiblicher machen will

Die Corona-Pandemie versetzt die ganze Sportwelt in Stillstand. Das gilt auch für den Motorsport und die W Series, deren Saison eigentlich Ende Mai starten sollte. Doch was ist überhaupt die W Series und wieso haben es Frauen so schwer, sich in der Männerdomäne Motorsport durchzusetzen?

2018 war ein bedeutendes Jahr für Frauen im Motorsport. Die Formel 1 schaffte seine Grid Girls ab, die Formel E veranstaltete einen sogenannten Frauen-Testtag ausgerechnet in Saudi-Arabien und die W Series wird ins Leben gerufen. Das Besondere an der W Series? Es dürfen nur Frauen an den Rennen teilnehmen. „Derzeit treten einfach zu wenige Frauen in den Einsitzer-Serien an. Die W Series wird diese Zahl 2019 erheblich steigern und somit das Können vieler weiterer Rennfahrerinnen zu Tage fördern“, ließ Initiatorin Catherine Bond Muir in einer Pressemitteilung im Oktober 2018 verlauten.

Weniger als ein Jahr später war es dann so weit. 18 Fahrerinnen, die sich in einem mehrtägigen Auswahlverfahren gegen mehr als 40 Konkurrentinnen durchsetzen konnten, starteten im Mai 2019 auf der Traditionsstrecke am Hockenheimring in die erste Saison der W Series. In sechs Rennen, alle im Rahmen der Deutschen Tourenwagen-Masters DTM, ging es um ein Preisgeld in Höhe von 1,3 Millionen Euro. Von Beginn an sollten jedoch gleiche Bedingungen für alle Athletinnen geschaffen werden. So wurde in baugleichen Formel 3-Rennwagen gefahren, ferner stand jeder Fahrerin ein großes Team von Ingenieuren und Boxencrews zur Verfügung.

W6I2349.jpg 18 Fahrerinnen fuhren 2019 in der W Series. Foto: W Series

Außerdem werden, und das ist vielleicht das außergewöhnlichste an der W Series, alle Kosten für die Fahrerinnen von den Investoren übernommen. Auf diesen Weg möchte Bond Muir, ehemalige Anwältin und selbst ein Neuling in der Motorsport-Welt, Fahrerinnen eine Teilnahme ermöglichen, denen oftmals die finanzielle Unterstützung fehlt. Die W Series soll als Sprungbrett in die Formel 1 fungieren und dabei die größtmögliche Aufmerksamkeit auf den Frauen-Motorsport ziehen. Für dieses ehrgeiziges Ziel hat sich Bond Muir Motorsport-Größen wie David Coulthard, ehemaliger Formel 1-Vizeweltmeister, und Adrian Newey, „Design-Guru“ der Formel 1, an ihre Seite geholt. Die W Series ist also gekommen, um zu bleiben.

Die Wegbereiterinnen der W Series

Sie ist allerdings nicht die erste rein weibliche Rennserie in der Motorsport-Geschichte. Bereits Anfang der 2000er unternahm die Formula Woman in Großbritannien den Versuch, in Form einer Talentshow mehr Frauen in den Motorsport zu locken. Diese Mischung aus ernst zu nehmendem Wettkampf und Reality TV war jedoch nur von kurzer Dauer.

Dass Frauen dennoch eine Daseinsberechtigung im männerdominierten Motorsport haben, zeigen unzählige Beispiele aus der Geschichte. So unternahm Bertha Benz 1888 die erste Überlandfahrt in einem Automobil. Die Tschechin Eliska Junkova prägte in den 1920er Jahren die Motorsport-Szene. Zur gleichen Zeit umrundete Clärenore Stinnes als erster Mensch im Auto die Welt. 1992 gelang Ellen Lohr ein Sieg in der DTM, neun Jahre später gewann Jutta Kleinschmidt als erste Frau die Rallye Dakar. Rennfahrerinnen wie Danica Patrick oder Pippa Mann wurden dank ihrer Leistungen in den US-amerikanischen Traditions-Rennserien IndyCar und NASCAR zu Superstars. Die Formel 1, immerhin die Königsklasse im Motorsport, scheint dagegen unerreichbar zu sein. In den 70 Jahren seit ihrer Einführung und rund 700 Fahrer später waren nur zwei von ihnen weiblich. Die Italienerin Maria Teresa de Filippis schrieb Geschichte, als sie 1958 als erste Frau an den Start eines Formel 1-Rennens ging. 44 Jahre ist es nun her, dass dies der zweiten und letzten Frau gelang. Ella Lombardi schaffte 1975 dabei sogar einmal den Sprung in die Punkte. Auch wenn die Formel 1 heutzutage insgesamt weiblicher geworden ist – jedenfalls was Testfahrerinnen, Ingenieurinnen sowie Rennstall-Besitzerinnen angeht – bleibt die Formel 1 eine Männerdomäne. Dabei stehen Frauen zumindest theoretisch alle Türen offen, denn keine der Rennserien gibt eine Geschlechtertrennung vor. Bis auf die W Series.

Heftige Kritik an der W Series

Und genau diese Tatsache ist der Grund für die heftige Kritik, die im Oktober 2018 auf Bond Muir und Co. einprasselte. Laut Fahrerinnen wie Pippa Mann und der deutschen Nachwuchshoffnung Sophia Flörsch sei die W Series ein Rückschlag für die Gleichberechtigung von Frauen im Motorsport. Flörsch, die 2020 als erste Frau in der Formel 3 starten wird, stellte die sportliche Wertigkeit in Frage und lehnte eine Teilnahme kategorisch ab. In einem Interview mit der Autobild äußerte sie sich 2018 wie folgt:

„Das heißt ja eigentlich, dass sie nicht dran glauben, dass wir gegen Männer bestehen können. Deswegen will ich das nicht fahren. Einfach weil ich zeigen will, dass ich auch als Frau gegen Männer kämpfen kann. Das ist nötig, um mehr Mädchen in den Sport zu holen. Die W-Series bringt nur Verwirrung.“

Die nun einzigartige Trennung vom Männer-Motorsport stelle einen Rückschritt dar. Laut der ehemaligen Formel E-Fahrerin Simona de Silvestro sei das Geld besser in einem Juniorinnen-Programm á la Red Bull angelegt. Ziel solle es doch sein, Fahrerinnen in das Männerfeld zu integrieren, anstatt in einer eigenen Klasse zu fahren, in der das Niveau aufgrund der geringen Leistungsdichte und kleinen Anzahl von Rennen eher niedrig sei. Frauen in die höheren Einsitzer-Klassen zu bekommen, ist auch das Bestreben von Bond Muir und Co. – nur halt auf ihre Art und Weise.

Mit der W Series wollen sie den Fahrerinnen eine Plattform bieten, auf der sie sich präsentieren und das Interesse von Sponsoren wecken können. Vor allem die Suche nach Geldgebern spielt im Motorsport nämlich eine große Rolle. Denn dieser eine Punkt ist unbestritten: Wer im Motorsport erfolgreich sein möchte, egal ob Mann oder Frau, benötigt Geld, und das nicht zu wenig. Für eine durchschnittliche Formel 3-Saison muss ein Fahrer oder eine Fahrerin bis zu 800.000 Euro aufbringen, die Formel 2 schlägt sogar mit bis zu zwei Millionen Euro zu Buche. Toto Wolff, Motorsportchef von Mercedes, schätzte 2015, es brauche bis zu acht Millionen Euro, um den Sprung von der Kart-Rennbahn in die Formel 1 zu schaffen.

W Series rückt näher an Formel 1 heran

Dass also so wenige Frauen in den Titelrennen vertreten sind, liegt auch daran, dass sie kaum Sponsoren oder Förderer finden, die das „Risiko“ auf sich nehmen wollen. Denn immer noch wird einer Fahrerin die Formel 1 nicht zugetraut. Dabei gibt es kaum logische Gründe, weshalb Frauen nicht genauso gut mit einem Formel 1-Boliden umgehen könnten wie Männer. Natürlich haben Letztere einen Kraftvorteil, aber dieser lässt sich mit entsprechendem Athletiktraining gut ausgleichen. Der Rest ist eine Frage der Sozialisation. Je mehr Mädchen bereits im jungen Alter gefördert und vielleicht sogar weibliche Vorbilder haben, desto höher ist die Anzahl an Fahrerinnen in den Nachwuchsklassen.

Ganz nach dem Motto „If she can see it, she can be it“ möchte auch die W Series verfahren und handelt so im Sinne einer wachsenden Frauenbewegung der letzten Jahre im Sport. Bond Muir verkündete bei der Vorstellung der W Series 2018: „Die Fahrerinnen der W Series werden weltweite Superstars [und] inspirierende Vorbilder für Frauen überall.“ Ob dies nun nach der Premieren-Saison, in der sich die Britin Jamie Chadwick den Gesamtsieg sicherte, der Fall ist, darüber lässt sich streiten. Laut eigenen Angaben verfolgten rund 350 Millionen Haushalte in 50 Ländern die Rennen, in Deutschland wurde jedoch kaum über die W Series berichtet.

Für die zweite Saison, die eigentlich diesen Mai starten sollte, stehen deshalb einige Veränderungen an. Die W Series rückt näher an die Formel 1 heran, denn zusätzlich zu den sechs Terminen im Rahmen der DTM sollen zwei Rennen im Vorprogramm der Formel 1 in den USA und Mexiko stattfinden. Und auch auf die Kritik, dass die sportliche Wertigkeit fehle, wurde scheinbar reagiert. Ab dieser Saison werden sogenannte Superlizenzpunkte vergeben. Diese – genauer gesagt 40 – werden benötigt, um eine Formel 1-Lizenz zu erhalten. 15 davon können also demnächst schon mal mit dem Gesamtsieg in der W Series eingefahren werden.

1_J6I7330.jpg Jamie Chadwick holte 2019 den Titel. Foto: W Series

Nur die Zukunft wird zeigen, ob die heftige Kritik an der W Series gerechtfertigt ist oder ob diese ihren Fahrerinnen wirklich legitime Aufstiegschancen in die Nachwuchsklassen und letztendlich die Formel 1 bietet. Sollte Jamie Chadwick also, inzwischen Entwicklungsfahrerin beim Traditionsrennstall Williams, ihren Titel diese Saison verteidigen, fehlen ihr – zumindest theoretisch – nur noch 15 Punkte bis zur Formel 1. Zehn hat sie nämlich schon aufgrund ihrer guten Leistungen in der asiatischen Formel 3 auf ihrem Konto.

Katarina Schubert

Katarina Schubert

Erschienen in Motorsport am 22. April 2020

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