Kampfsport

Auf dem Weg nach Tokio: Wie Sarah Scheurich gegen jede Herausforderung boxt

SerieErst Corona, dann eine Depression: Amateurboxerin Sarah Scheurich (28) musste 2020 gegen ganz neue Gegner kämpfen. Doch nun ist sie wieder fit und boxt um das Ticket für Olympia. In einer Serie mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) begleiten wir Deutschlands Sportlerinnen auf dem Weg nach Tokio.

Eine schwierige Zeit liegt hinter Sarah Scheurich. Diesmal kämpfte die 28-Jährige nicht im Ring gegen eine starke Gegnerin. Sondern gegen gesundheitliche Probleme. Die Sportlerin erkrankte 2020 an Corona – und an einer Depression. Die Infektion hat sie mittlerweile gut überstanden. Die Depression verlangte ihr durchaus mehr ab. „Das Thema war mir nicht fremd, mein Papa hat Depressionen und ich wusste, ich bin dafür veranlagt“, erzählt die Amateurboxerin aus Schwerin. Sie geht damit total offen um und nimmt die Erfahrungen mit auf den Weg zu den Olympischen Spielen.

Nach Depressionen wieder nach vorne blicken

Eine US-Studie aus dem Jahr 2020 zeigt: Rund 22,5 Prozent der Athlet:innen leiden mehrmals pro Woche unter depressiven Gedanken. Vor der Corona-Pandemie waren das noch deutlich weniger. Auch Sarah Scheurich machten die Restriktionen, die Ungewissheit und der Druck zu schaffen. Ende 2020 ging sie schließlich in eine Klinik, um ihre Depression zu behandeln und auch, um das ADHS besser zu verstehen, mit dem sie schon ihr Leben lang zu kämpfen hat. „Als ich in der Klinik war, war mein Zustand wirklich kritisch. Ich bin froh, dort Hilfe bekommen zu haben und habe viel über mich gelernt.“ Gemeinsam mit dem Verband und Nationaltrainer Michael Timm will sie nun den Sport und seine Komponenten besser auf sich abstimmen, um nicht wieder in ein solches Loch zu fallen.

image00004.jpegMit neuem Kampfgeist startet Sarah Scheurich wieder durch. Foto: Jendrik Wichels

Schließlich haben sie alle gemeinsam ein großes Ziel: die Olympischen Spiele in Tokio. „Mir geht es psychisch wieder gut und ich weiß jetzt, auf welche Anzeichen ich achten muss“, sagt Sarah Scheurich während des Trainingslagers in Köln Anfang Februar. „Ich freue mich, dass ich wieder an meinen sportlichen Zielen arbeiten kann und bin richtig gut drauf.“ Wie gut, das hat sie direkt am Ende des Trainingslagers unter Beweis gestellt. In einem Freundschaftskampf verlor sie zwar gegen die Profiboxerin Christina Hammer nach Punkten, lieferte ihr jedoch einen harten Kampf. „Ich war noch nie so lange raus aus dem Training. Mein Körper braucht noch, um wieder fit zu werden“, sagt Sarah Scheurich, die aber immerhin von der Corona-Infektion keine Spätfolgen merkt.

„Ich freue mich, dass ich wieder an meinen sportlichen Zielen arbeiten kann und bin richtig gut drauf.“ Sarah Scheurich nach ihrer Depression

Die Konkurrenz im deutschen Team

Christina Hammer könnte auch auf Sarah Scheurichs Weg nach Tokio noch eine Rolle spielen. Denn die Profiboxerin wechselte in diesem Jahr in den Amateurbereich in Scheurichs Gewichtsklasse und will ebenfalls zu den Olympischen Spielen. Bei einem europäischen Turnier werden die letzten Tickets vergeben. Wer vom deutschen Team mitmachen darf – Sarah Scheurich oder Christina Hammer–, soll in einem Ausscheidungskampf entschieden werden. Wann und wo ist noch offen.

image00005.jpegSarah Scheurich freut sich auf die neuen Herausforderungen. Foto: Jendrik Wichels

Nach den schwierigen vergangenen Monaten freut sich Sarah Scheurich auf das, was kommt. Viele Aufgaben, an denen sie wachsen kann. „Und egal, wie es am Ende ausgeht, schämen brauche ich mich nicht.“ Auch wenn Olympia 2021 womöglich wieder verschoben werden sollte – die Boxerin will bald wieder so fit wie vor ihren Erkrankungen sein. Vor allem bei Ausdauer und Schnelligkeit will sie sich noch steigern und trainiert dafür hart. Zeit dafür hat sie als Sportsoldatin und muss sich durch die Bundeswehr auch zu Corona-Zeiten keine Sorgen um ihre Existenz machen. Das Einzige, das ihr passieren kann, ist nicht trainieren zu können.

Zweifel, ob Olympia stattfinden sollte

Sorgen macht sich die 28-Jährige vielmehr darum, ob es überhaupt richtig ist, zu den Olympischen Spielen zu fahren, wenn der Rest der Welt im Corona-Lockdown sitzt. „Moralisch finde ich das sehr schwierig und befinde mich da in einem großen Konflikt. Als Sportlerin bin ich schließlich ein Vorbild“, sagt sie. Ob sie, wenn sie sich qualifiziert, tatsächlich nach Tokio fahren wird, kann Sarah Scheurich daher nicht sagen. Das käme vor allem auf die weltweite Impf-Situation an. „Ich werde das auf mich zukommen lassen. Durch die schwierigen vergangenen Monate habe ich erkannt, dass die Gesundheit immer vorgeht und zwar nicht nur meine eigene, sondern auch die aller anderer Menschen“, sagt sie.

„Moralisch finde ich das sehr schwierig und befinde mich da in einem großen Konflikt. Als Sportlerin bin ich schließlich ein Vorbild." Sarah Scheurich über Olympia 2021

Sie sagt das, obwohl eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen schon seit jeher ihr Traum ist. Als Sarah Scheurich mit fünf Jahren mit Kampfsport begonnen hat, war Boxen für Frauen noch nicht olympisch. In der siebten Klasse wechselte sie aufs Sportgymnasium in Schwerin und boxt seither auf Leistungsniveau. Und für ihren Traum von Olympia. Dass ihr Weg dorthin zuletzt von Hindernissen geprägt war, trübt in keinem Fall ihre Motivation. Sie kämpft. Im Ring und daneben.


Serie "Auf dem Weg nach Tokio"

Gemeinsam mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) realisieren wir derzeit eine Serie über Spitzensportlerinnen auf dem Weg nach Tokio. Neben Text und Video produziert meinsportpodcast.de dazu auch eine Podcast-Reihe, die unter dem Namen „Sportfrauen auf dem Weg nach Tokio“ auf der Plattform zu finden ist.

Erschienen in Kampfsport am 29. März 2021

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