Einmalige Chance auf Olympia – Jasmin Jüttner will sie nutzen

Das Olympiajahr ist ein ganz besonderes für Jasmin Jüttner: Die Karateka hat die wahrscheinlich einzige Chance ihrer Karriere, an olympischen Spielen teilzunehmen. Vom großen Traum, Disziplin und einer nie endenden Leidenschaft.

Der Körper ist gespannt bis in die Zehenspitzen, auf eine schnelle Schrittkombination folgt eine elegante, langsame Armbewegung. Dann steht Jasmin Jüttner breitbeinig auf der Matte. Jede Muskelfaser angespannt.

Was aussieht wie eine Mischung aus Kampf und Tanz ist Kata, eine Disziplin des Karate. Die japanische Kampfkunst gibt es entweder im Einzel oder in einem dreiköpfigen Team. Jasmin (26) ist seit beinahe 20 Jahren Karateka und hat sich auf diese traditionelle Disziplin spezialisiert. Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Sprungkraft, Flexibilität und Eleganz. „Kata ist eine sehr vielseitige Sportart und es kommt auf jedes Detail an“, sagt Jasmin. „Nach 20 Jahren kann ich immer noch so viel dazulernen, das fasziniert mich.“ Und in diesem Jahr hat sie eine ganz besondere, aber einmalige Chance.

2020 in Tokio ist Karate zum ersten Mal olympisch

Für die Olympischen Spiele in Tokio wurde die japanische Kampfsportart Karate ins Programm genommen – das hat das IOC 2016 beschlossen. Premiere. Doch damit ist es auch schon wieder vorbei. 2024 in Paris ist Karate schon nicht mehr im olympischen Programm. Jasmin hat diese Chance sich zu qualifizieren und danach vermutlich nie wieder.

Bei den Olympischen Spielen gibt es pro Geschlecht vier Kategorien: Kata und dreimal Kumite in verschiedenen Gewichtsklassen. Pro Kategorie darf nur ein Athlet einer Nation teilnehmen. Wer sich wie Jasmin bisher nicht über die Anzahl der Punkte bei Wettkämpfen qualifiziert hat, setzt auf das Qualifikationsturnier von 8. bis 10. Mai 2020 in Paris. Dabei werden noch drei Plätze pro Kategorie vergeben. „Ich schätze meine Chancen gut ein“, sagt Jasmin. Zuvor wird sie bei verschiedenen Turnieren in Dubai oder Salzburg noch Routine sammeln, um dann perfekt vorbereitet die Olympia-Quali zu holen.

Starke Karate-Nationen – von Japan bis Ägypten

Jasmin hat gemerkt, wie sehr die Konkurrenz in den vergangenen zwei Jahren Gas gegeben hat. Olympia motiviert nicht nur sie. „Auch die Zahl der Meisterschaften ist enorm nach oben gegangen, die letzten beiden Jahre gab es über zehn Meisterschaften pro Jahr – zuvor waren es nur vier.“ Neben einer deutschen Meisterschaft finden die meisten Karateturniere international statt – Nationen wie Japan, Spanien, die Türkei und Ägypten sind in diesem Sport besonders stark. Doch Jasmin muss sich nicht verstecken: Weltmeisterin im Team, Bronzegewinnerin im Einzel, dreifache Vize-Europameisterin mit der Mannschaft und zehnfache deutsche Meisterin im Einzel.

Als Sportsoldatin kann sich Jasmin wunderbar auf das Training am Stützpunkt in Frankfurt konzentrieren. Je nach Phase macht sie dreimal die Woche Krafttraining und trainiert zusätzlich ein- bis zweimal noch für sich selbst, vor allem den Rumpf. Karate steht sechs Tage die Woche auf dem Plan – ein Tag dient der Regeneration. Meist trainiert Jasmin allein. „Ich mag das. Aber wenn hin und wieder mal jemand dabei ist, tut der zusätzliche Reiz gut. Man kann schließlich von jedem etwas lernen.“

Weil der Papa Bruce-Lee-Fan ist, geht Jasmin zum Karate

Das gefällt Jasmin an dem Sport besonders: Dass sie nie auslernt. Mit sieben Jahren hat sie als Karateka angefangen. Warum eigentlich? „Mein Papa war großer Fan von Bruce Lee und hat mich deswegen zum Karate geschickt“ erzählt Jasmin und lacht. „Ich wollte ihn nicht enttäuschen und bin hingegangen – und habe den Sport immer mehr lieben gelernt. Heute kann ich mir das ohne nicht mehr vorstellen.“ Auch ihren Mann Philip hat sie vor rund 14 Jahren beim Kadertraining kennengelernt. Karate ist ihr Leben.

Und das soll es noch eine Weile bleiben. Jasmin macht zwar gerade auch ein Masterstudium im Bereich „Media Management“, doch Karate will sie noch möglichst lange auf Leistungsniveau betreiben. „Die aktuelle Weltmeisterin ist 38, ich erst 26 – und habe noch richtig Bock. Ich bin noch lange nicht an meinem Leistungsmaximum angekommen“, ist Jasmin sicher. Was in ihr steckt, will sie zum Beispiel auch bei den Weltmeisterschaften im November in Dubai zeigen. Und am allerliebsten eben in Tokio bei den Olympischen Spielen. Bei dieser einmaligen Chance.

Verfasst von Nina Probst

Erschienen in Sportarten am 20. Februar 2020

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