Diese sechs Frauen schaffen es in den neuen DAV Expedkader

Der DAV-Expeditionskader feiert sein 20-jähriges Jubiläum. Letzte Woche wurde aus ursprünglich rund 30 Bewerberinnen der neue Frauenkader mit sechs Teilnehmerinnen ausgewählt. Damit geht der Expedkader in die zwölfte Runde.

Seit vergangener Woche stehen die sechs Teilnehmerinnen für den neuen DAV Expedkader Frauen 2022 fest. Corona-bedingt wurde das Sichtungscamp, das im Juni in Chamonix geplant war, in den Oktober geschoben und nach Mittenwald verlegt. Das Wetter spielte mit, und der vorhergegangene Wintereinbruch präsentierte die Berge für diese Jahreszeit ungewöhnlich winterlich, was sehr anspruchsvolle Bedingungen für die alpinistischen Aufgabenstellungen schaffte.

ExpedkaderFrauenSichtung20-42-1200px.jpg Beim Sichtungscamp des neuen Expedkaders. Foto: DAV/Silvan Metz

Eine Woche lang waren insgesamt 18 Frauen unterwegs mit erfahrenen Bergführerinnen und Bergführern und ehemaligen Expedkadermitgliedern wie Caro North, Dario Haselwarter, Benedikt Saller und Martin Schidlowski sowie den Trainern Michi Wärthl, Fritz Miller und der Trainerin Dörte Pietron. Als Vorbereitung für klassische Touren wurde zum Beispiel richtiger Standplatzbau und Anseiltaktik, der Einsatz von mobilen Sicherungsmitteln und der Umgang mit Hammer und Schlaghaken ausgebildet. Ebenfalls auf dem Programm: Klettern im kombinierten Gelände und Mixedrouten, schweres Sportklettern in Mehrseillängen, Speedbegehungen, ein Konditionslauf und Drytoolen, also Klettern mit Eisgeräten und Steigeisen.

Der neue DAV Expedkader 2022

Wieder einmal war die Auswahl alles andere als leicht und es wurde viel diskutiert, bis das Ergebnis feststand. Diese sechs Frauen bilden nun den neuen „DAV Expedkader 2022“: Luisa Deubzer (DAV München-Oberland), Amelie Kühne (DAV Heilbronn), Lea Luithle (DAV Ludwigsburg), Caro Neukam (DAV München-Oberland), Janina Reichenstein (DAV Nürnberg und Erlangen) und Rosa Windelband (DAV Sächsischer Bergsteigerbund). Geleitet wird der Kader von Dörte Pietron.

Was ist eigentlich der DAV Expedkader?

In den 1990er Jahren sank das Engagement von jungen Bergsteigern aus Deutschland – damals waren es tatsächlich überwiegend Männer – am internationalen Spitzenalpinismus. Im Deutschen Alpenverein entstand deshalb die Idee zur Ausbildung ambitionierter Allround-Alpinisten. Der erste DAV-Expeditionskader – kurz „Expedkader“ – wurde denn auch im Jahr 2000 ins Leben gerufen. Das Konzept: Talentierte, junge Nachwuchs-Alpinisten sollten drei Jahre lang mehrere Ausbildungsblöcke durchlaufen und abschließend auf eine gemeinsame Expedition gehen. „Wir wollten damit nicht nur den Anschluss an die internationale Spitze wiederherstellen,“ sagt Philipp Abels. „Es ging auch darum, das klassische leistungsorientierte Bergsteigen aufzuwerten und als Alternative zum boomenden Sportklettern voranzubringen.“ Das Konzept ging auf und wurde zum Vorbild für viele ähnliche Projekte in den angrenzenden Alpenländern. So existieren mittlerweile Expeditionskader auch in Frankreich, Österreich, Italien, Slowenien und in der Schweiz. Innerhalb Deutschlands existiert zudem seit 2014 mit den DAV-Nachwuchscamps ein mittlerweile bewährter Unterbau, über welchen sich interessierte Athleten und Athletinnen auf eine spätere Aufnahme in den Expedkader vorbereiten können.

ExpedkaderFrauenSichtung20-41-1200px.jpg Beim Sichtungscamp des neuen Expedkaders. Foto: DAV/Silvan Metz

Das lernt man im Expedkader

Jeder Kader durchläuft zehn bis zwölf Lehrgänge in den Bereichen Alpinklettern, Technoklettern, Bigwall, Risskettern, Eisklettern, Hochtouren, Lawinen und Bergrettung. Den Abschluss der Ausbildung macht eine gemeinsame Expedition. Zehn solche Unternehmungen kamen in den letzten 20 Jahren zusammen, dabei gelangen zahlreiche Erstbegehungen und Erstbesteigungen in Indien, Pakistan, Marokko, China, Kirgisistan und Tadschikistan. Aber nicht nur die alpinistischen Fähigkeiten selbst sind es, die den Expedkader als Ausbildung ausmachen. Es ist auch die Berührung mit den Strukturen des professionellen Bergsports, die für die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer erstmals erfolgt. Für eine Karriere als Profibergsteigerin oder Profibergsteiger sind diese Erfahrungen wichtig. Nicht zuletzt, weil so die wertvollen Kontakte in einem Netzwerk von Sponsoren, Partnern, Verbänden und anderen Athletinnen und Athleten entstehen.

Expedkader-Absolvent Benedikt Saller, der heute Bergführeranwärter ist, schaut auf seine Erfahrungen von 2016 bis 2018 so zurück: „Allein während der Tage der Sichtung, egal ob man dann im Kader aufgenommen wird oder nicht, steigt die Lernkurve extrem an. Ein anderer, nicht unwesentlicher Aspekt ist zudem, dass die neuen Kontakte mit ähnlich motivierten jungen Bergsteigern den Kreis an Tourenpartnern und den Erfahrungsaustausch erweitern.“

Das wird aus den Absolventen

„Der Expedkader ist ganz klar ein Tor zum professionellen Bergsport. Sehr viele ehemalige Mitglieder sind heute als Bergführerinnen und Bergführer innerhalb und außerhalb des Deutschen Alpenvereins aktiv,“ sagt Expedkader-KoordinatorPhilipp Abels. „Und einige der Absolventen haben sich dem Spitzenalpinismus verschrieben und machen mit entsprechenden Leistungen auf sich aufmerksam.“ Ein besonders schöner Effekt sei es, dass einige ehemalige Teilnehmende ihr Wissen als Kadertrainerin oder Kadertrainer an die nächste Generation weitergeben.

Eine Schmiede für starke Alpinistinnen

Eine davon ist Dörte Pietron, die vor 17 Jahren als erste Frau einen Expedkader-Lehrgang absolvierte und lange Zeit auch die einzige Frau blieb. Deshalb wurde 2011 der Frauen-Expedkader ins Leben gerufen und Dörte Pietron übernahm sogleich die Leitung, die sie bis heute innehat. „Der Frauenkader ist sehr beliebt und hat schon einige starke Alpinistinnen hervorgebracht,“ sagt die Top-Alpinistin und liefert auch gleich eine Erklärung für den großen Erfolg. „Die gemeinsame Kaderzeit ist für mich immer ein Highlight. Das ist es als Trainerin, das war es aber auch vor 17 Jahren als Teilnehmerin.“ Tatsächlich interessieren sich seit der Einführung vor zehn Jahren immer mehr Bergsteigerinnen für den Expedkader. Dabei ist ein Nebeneffekt sichtbar geworden: Die Anzahl der Bergführerinnen in Deutschland hat sich verdoppelt. Heute sind geschätzt 90 Prozent aller deutschen Bergführerinnen Absolventinnen des DAV-Expeditionskaders.

20 Jahre Partnerschaft mit Mountain Equipment

Leistungsbergsteigen kommt ohne hochwertige Ausrüstung nicht aus. Der DAV-Expedkader wird deshalb von den Partnern Mountain Equipment, Edelrid und Katadyn umfangreich ausgestattet. Partner der ersten Stunde war und ist Mountain Equipment. Der renommierte Bergsport-Ausstatter stellt zum Beispiel Hardshelljacken, Kletterhosen und T-Shirts genauso wie Schlafsäcke, Matten und Taschen. „Von Anfang an – und mit voller Überzeugung – unterstützt Mountain Equipment die Expeditionskader des DAV, um junge und besonders ambitionierte Bergsteigerinnen und Bergsteiger zu fördern“, resümiert Thomas Strobl, Geschäftsführer von Mountain Equipment Deutschland. „Besonders freut uns, dass mit dem Frauenteam endlich die vermeintliche Männerdomäne des ‚heroischen‘ Expeditionsbergsteigens entstaubt und ganz unprätentiös von den leistungsstarken Frauen in ein neues Licht gerückt wird!“

Verfasst von DAV/Sportfrauen

Erschienen in Bergsport am 05. November 2020

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