Konstruktiv handeln statt meckern: Vanessa Nord kämpft für einen nachhaltigen Sport

ExklusivWie können Sportveranstaltungen nachhaltiger werden? Dazu berät Vanessa Nord (29) Vereine, Verbände und Ligen in Deutschland. Von Umweltschutz über Wirtschaftlichkeit bis Gleichberechtigung schaut sie dabei in alle Richtungen. Wobei gerade letzteres auch für sie manchmal ein Problem ist.

Als Tochter eines Försters ist Vanessa Nord sozusagen im Wald groß geworden. Schon in der Schulzeit schrieb sie eine Projektarbeit über die Schäden, die die Bäume durch Umweltverschmutzung und Co. erleiden. So wuchs in ihr der Wunsch, ihren Teil zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. In Kombination mit ihrer Liebe zum Sport, berät Vanessa Nord heute Verbände, Vereine und Sportveranstalter zu nachhaltigeren Veranstaltungen. Durch ihr Interesse an verschiedensten Sportarten – von Fußball über Reitsport bis Wandern – kann sie sich gut in die verschiedenen Prozesse hineindenken. Wir haben mit der 29-Jährigen darüber gesprochen, was Nachhaltigkeit für sie eigentlich bedeutet und wie sie es erlebt, in einer noch immer von Männern dominierten Branche auch mal den Ton anzugeben.

Vanessa, was verstehst du unter Nachhaltigkeit?

„Mir geht es dabei nicht allein um den Umweltschutz. Wenn ich Vereine, Verbände oder Ligen berate, zählt für mich ein ganzheitlicher Ansatz. Es geht auch um die soziale Komponente, um die Werte, die wir mit dem Sport vermitteln. Es geht um Inklusion und Gleichberechtigung. Und um Wirtschaftlichkeit. Es ist ganz wichtig, dass die Veranstalter auch hier nachhaltig denken und planen. Viele verausgaben sich finanziell und das will ich mit meiner Arbeit verhindern.“

Bei welchen Projekten bist du denn derzeit aktiv?

„Ein gutes Beispiel dafür, mit wem ich gerade zusammenarbeite, sind die European Championships 2022 in München., weil wir hier ganzheitlich auf die Veranstaltung schauen. Wir wollen zum Beispiel im sozialen Bereich prüfen, ob Pressekonferenzen auch in Gebärdensprache abgehalten werden können und welche Bedürfnisse Rollstuhlfahrer:innen bei solchen Veranstaltungen haben. Ein weiteres aktuelles Projekt ist Ende 2020 mit der DEL2 gestartet.

Worum geht es dabei?

"Wir bauen eine Netzwerk-Plattform auf, bei der wir als Liga und unsere Clubs von Unternehmen lernen können und sich so weiter professionalisieren. Die Unternehmen wiederum erhalten Sichtbarkeit auf Liganiveau, Zugang zu unseren Clubs, den Mitgliedern und unseren Fans. In lockerer Atmosphäre kann man sich dabei kennenlernen. Gerade in Zeiten von Corona ist es umso wichtiger, sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Wir hoffen natürlich, unsere Business-Club-Treffen 2021 im Stadion vor Ort durchführen zu können. Aber es gibt auch gute Online-Alternativen.“

WhatsApp Image 2021-01-25 at 14.24.19.jpeg Vanessa Nord arbeitet mit der DEL2 an einer Netzwerk-Plattform. Foto: DEL2

Hat die Corona-Pandemie deine Arbeit stark beeinflusst? Immerhin finden aktuell keine Veranstaltungen statt …

„Klar, das ist ein Nachteil, dass derzeit keine Events stattfinden. Aber dafür hat sich beim Thema Nachhaltigkeit im Sport ein neues Bewusstsein ergeben und einen richtigen Schub bekommen. Das wird mir meine Arbeit in Zukunft einfacher machen.“

Du hast Sportmanagement studiert und dann beim Deutschen Boxsport-Verband gearbeitet. Wieso hast du dich selbstständig gemacht?

„Ich habe sehr gerne im Boxsport-Verband gearbeitet und dort zahlreiche Veranstaltungen verantwortet. Aber ich habe auch ein Potenzial gesehen, die Sportart voranzutreiben, bin aber kaum auf offene Ohren gestoßen. Verbände arbeiten einfach sehr hierarchisch, werden häufig noch immer von Männern dominiert und daher war es mir nicht möglich, von innen heraus etwas zu verändern. Weil ich aber nicht nur meckern wollte, sondern etwas bewegen, habe ich meinen Mut zusammengenommen und mich selbstständig gemacht.“

Aber von Männern dominiert sind viele Institutionen im Sport ja immer noch.

„Das stimmt. Aber wenn ich merke, mich nimmt jemand nicht ernst, weil ich eine Frau bin, dann arbeite ich mit dem auch nicht zusammen. Als Angestellte war das schwieriger, da war ich abhängig vom System. Jetzt kann ich mir meine Projektpartner besser aussuchen.“

Kommt das denn vor, dass dich jemand nicht ernst nimmt?

„Ja, damit werde ich häufig konfrontiert. Wenn ich eine entsprechende E-Mail bekomme, dann ist es schon vorgekommen, dass ich als Antwort schreibe, ob er diese Nachricht auch an einen männlichen Kollegen geschrieben hätte.“

Und was kommt zurück?

„Einige ziehen es ins Lächerliche und darauf reagiere ich nicht mehr. Es geht mir auch nicht darum, jemanden zu belehren, sondern mehr um den kleinen Hinweis. Ich hoffe, ich bewirke damit, dass sie es in Zukunft bei anderen Frauen nicht mehr machen. Ob das funktioniert, weiß ich natürlich nicht. Aber ich zumindest werde mit der Zeit anders wahrgenommen. Mit mehr Respekt und auf Augenhöhe – mehr will ich auch nicht. Vor allem von Frauen werde ich darauf angesprochen, ein Vorbild zu sein beim Thema ,Frauen im Sport‘. Am Anfang habe ich mich noch gegen diese Rolle gewehrt, weil das gar nicht mein Hauptthema ist. Ich bin durchaus eine Feministin, will aber weniger durch Reden, dafür mehr durch Taten etwas bewegen.“

WhatsApp Image 2021-01-25 at 14.26.44.jpeg Vanessa Nord will andere Frauen ermutigen. Foto: privat

Was würdest du denn gerne bewegen für Frauen im Sport?

„Ich will sie motivieren, selbstbewusster zu sein und mutig nach vorne zu treten. Ich war mal auf einem Kongress, bei dem es um die Zukunft des Sports ging, da waren 41 männliche Speaker und nur eine Frau. Für mich ist das allerdings keineswegs die Zukunft und daher habe ich dem Veranstalter geschrieben, wie viele tolle Frauen ich kenne, die zu Expertenthemen etwas sagen können und ich mein Netzwerk gerne für ihn aufmache. Er war dafür übrigens extrem dankbar. Das zeigt auch, dass auch viele Männer etwas verändern wollen.“

Wie können wir Frauen etwas verändern?

„Nicht meckern, sondern konstruktiv handeln und uns als Expertinnen positionieren. Dann werden wir auch mehr wahrgenommen und von vielen Männern unterstützt.“

Hast du das Gefühl, dass sich die Rolle der Frauen in Verbänden und Vereinen schon etwas verändert in den vergangenen Jahren?

„In den Verbänden spielen Frauen vor allem eine Rolle auf Sachbearbeiter-Ebene. In beinahe allen Positionen darüber sind Männer zu finden. Aktuell ist das vor allem eine Generationen-Frage. Unserer Generation und den kommenden ist es doch vollkommen egal, ob jemand Schwarz, Weiß, Mann, Frau, homo- oder heterosexuell ist. Und wenn unsere Generation nun nach und nach in die Führungsetagen kommen, dann wird sich definitiv etwas verändern. Aber bis dahin wird der Sport vermutlich noch stark in Männerhand bleiben.“

Erschienen in Frauen im Sportbusiness am 09. Februar 2021

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