Genau zum richtigen Zeitpunkt: So lief der erste digitale Frauenfußballkongress

Er ist Geschichte, der erste Frauenfußballkongress. Und doch ist es erst der Anfang. Für die Female Football Academy war der digitale Frauenfußballkongress im Rahmen der re:publica der Kick-Off. Mitgründer Andreas Gebhard sagt: "Die Arbeit geht jetzt erst los."

Zwei Tage, acht Stunden und rund 20 Speaker:innen haben den Grundstein gelegt für die Arbeit der Female Football Academy, die sich die Professionalisierung des deutschen Frauenfußballs zum Ziel gesetzt hat. Andreas Gebhard sagt einen Tag nach dem Kick-Off-Kongress: "Ein so verdichteter Überblick über die Situation von Frauen im Fussball hat gefehlt! Die FFA wird diese Erfahrungen nutzen, um so viele positive Veränderungen wie möglich zu unterstützen. Besonders am Herzen liegen uns messbare Ergebnisse."

Mehrere hunder Zuschauer verfolgten am Freitag und Samstag die Inhalte des Frauenfußballkongresses, die sich um Sponsoring, Spielerinnenberatung, Berichterstattung und Empowerment drehten. Jörg Neblung von fem11 gab spannende Einblicke in die Spielerinnenberatung im Frauenfußball, die immer weiter ausgebaut wird und sich professionalisiert. Wenn auch die vielen Millionendeals noch auf sich warten lassen. An Tag zwei informierte Svenja Schlenker von Borussia Dortmund über die Vorteile und Herausforderungen, in einem bislang reinen Männerverein eine Frauenmannschaft ins Leben zu rufen. Zum Beispiel berichtete sie über Platzprobleme, die zwangsläufig kommen, wenn die Mädchen- und Frauenabteilung wächst. "Ich kenne das aus anderen Vereinen, in denen die Mädchen und Frauen an ganz unterschiedlichen Orten trainieren. Da fühlt man sich schnell ausgeschlossen oder wie das fünfte Rad am Wagen", sagte Schlenker.

Extra-Kick durch Tabea Kemme

Moderiert haben den Kongress Yolanda Rother und Ex-Profifußballerin Tabea Kemme. Vor allem Kemmes Expertise und Offenheit gaben den einzelnen Vorträgen und Diskussionsrunden den entscheidenden Kick. Die Kandidatin für das Amt der Präsidentin bei Turbine Potsdam ließ immer wieder persönliche Erfahrungen aus ihrer Profikarriere und der Zeit danach einfließen. So kandidiert die 29-Jährige derzeit für das Amt der Präsidentin bei Turbine Potsdam – und hat dabei mit großen strukturellen Herausforderungen zu kämpfen. In einer Session am Freitagabend im Rahmen des Kongresses sagte Kemme:

Ich sehe mich als Paradebeispiel dafür, warum es so schwer ist als Frau in einem Verein eine hohe Position einzunehmen. Das ist erschreckend und für mich erklärend dafür, dass wir stagnieren.

Insgesamt fand der Kongress genau zum richtigen Zeitpunkt statt. Wenige Tage zuvor veröffentlichten neun Fußball-Expertinnen um Torhüterin Almuth Schult, Kommentatorin Claudia Neumann und die Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb ein Positionspapier, indem sie etwa eine 30-Prozent-Frauenquote in Führungspositionen beim DFB fordern, Gehaltstransparenz zwischen Männern und Frauen sowie eine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Sprache. EIn Thema unter dem Motto "Fußball kann mehr", das auch den Frauenfußballkongress der FFA prägte. Und ihm die notwendige Aufmerksamkeit bescherte.

Tabea Kemme und Moderatorin Yolanda Rother. Foto: Jan Michalko 


Kooperation für messbare Erfolge

Beim Kongress gab die Female Football Academy ihre Kooperation mit dem Frauen-Karriere-Index (FKi) bekannt. Damit gelingt es der Akademie den ersten Schritt in Richtung der praktischen Umsetzung ihrer Ziele für mehr Gleichstellung, Diversität und Gerechtigkeit innerhalb des Fußballs zu gehen. Als erste gemeinsame Aktion wird am 9. Juli 2021 ein gemeinsamer Think Tank veranstaltet, bei dem FFA-Co-Gründerin Chantal Hoppe und Olympiasiegerin Tabea Kemme ihre Erfahrungen, Ideen und Wünsche für den Frauenfußball schildern werden. Barbara Lutz, Geschäftsführende Gesellschafterin, Frauen-Karriere-Index sagt über die Koopperation: „Wir machen Frauen-Karrieren messbar und unterstützen damit die Durchlässigkeit in Organisationen. Es ist höchste Zeit auch in der Fußballwelt Gender Diversity auf einer sachlichen Ebene zu diskutieren. Nur so erreichen wir gerechte Teilhabe und nachhaltige strukturelle Veränderungen im Fußball.“

„Frauenfußball-Abteilungen sind oft das fünfte Rad am Wagen in den Vereinen. Das muss sich ändern. Warum sollte es nicht auch bei jungen Mädchen den Berufswunsch Profifußballerin geben?“, sagt Andreas Gebhard. „Wir wollen mit dem FKi die Entwicklungen begleiten und hoffentlich eintretende Fortschritte auch messen.“ Co-Gründerin Chantal Hoppe fügt hinzu: „In unserer Gesellschaft passiert gerade unheimlich viel. Alte Wege werden verlassen, neue gegangen. Wir hoffen, das trifft auch auf den Fußball zu." 

Wie weit sind wir beispielsweise von einer Frauenquote in den Fußballverbänden entfernt? Könnte der Deutsche Fußball Bund demnächst eine Präsidentin an der Spitze haben?

Erschienen in Frauen im Sportbusiness, Fußball am 25. Mai 2021

Weitere Artikel