Als Linienrichterin alles im Blick bei der schnellsten Teamsportart der Welt

ExklusivAbseits oder kein Abseits? Solche Fragen haben für Julia Männlein (23) eine ganz besondere Bedeutung. Als Linienrichterin im Eishockey muss sie alles im Blick haben, und das hochkonzentriert über 60 Minuten.

Das alles entscheidende Spiel fünf im Bayernliga-Finale 2016 der Männer vor knapp 3.000 Zuschauern ist Julia Männlein besonders im Gedächtnis geblieben. Eine ganz besondere Stimmung, eine größere Anspannung als sonst. Auch die Frauen-Playoffs 2019 Spiel 2 und 3 zwischen dem ECDC Memmingen und dem ESC Planegg waren etwas Besonderes. Aber nicht etwa, weil Julia dabei selbst als Spielerin aktiv war. Sie ist Schiedsrichterin.

Seit sie sechs Jahre alt ist, steht Julia auf dem Eis und spielt in der Liga Eishockey. Erst hat sie beim ESV Buchloe alle Nachwuchsmannschaften von der U9 bis zur U20 durchlaufen, mittlerweile spielt sie seit vielen Jahren mit dem ESV Kaufbeuren in der Landesliga Bayern der Frauen. Doch nicht nur als Stürmerin kennt sich die mittlerweile 23-Jährige auf der Eisfläche aus. Seit rund sieben Jahren ist Julia Linesman – oder vielmehr Lineswoman. „Das war die spontane Idee einer Freundin“, erinnert sie sich. Die Freundin hat schnell wieder aufgehört, Julia hat darin ihre Leidenschaft gefunden.

Höchste Konzentration über 60 Minuten

Immer konzentriert bleiben, 60 Minuten lang, während die Spielerinnen und Spieler ständig auswechseln. Das sieht sie als die größte Herausforderung. „Ein Fehler in den letzten Minuten des Spiels kann die komplette Leistung kaputt machen“, sagt sie. Julia pfeift bei den Männern bis zur Oberliga, der dritthöchsten Liga, bei den Frauen Bundesliga sowie internationale Begegnungen. Ab den Ligen des DEB muss sie jedes Jahr einen Lehrgang mit Regelschulung, Sporttest in der Turnhalle, Lauftest auf dem Eis und einem Laktattest absolvieren. „Jedes Jahr, wenn die Saison vorbei ist, fange ich kurz darauf wieder an, mich vorzubereiten. Ich gehe Laufen, Radfahren, mache Krafttraining und nehme so viele Eiszeiten mit, wie nur möglich.“

„Ein Fehler in den letzten Minuten des Spiels kann die komplette Leistung kaputt machen.“ Julia Männlein über die Herausforderung eines Schiedsrichters

Julias Umfeld hat immer positiv auf ihre Leidenschaft reagiert. Erstaunt vielleicht, aber positiv. Immerhin kennt man die Allgäuerin, die mittlerweile in Augsburg lebt, beinahe nur auf dem Eis. „Auch die ganze Familie besteht aus Eishockeyfans, die schauen dann auch bei den Spielen gerne mal zu“, erzählt sie. Selbst ist Julia kein Fan mehr – Spiele sieht sie sich immer neutral an.

Ihre Rolle als Schiedsrichterin spielt natürlich auch bei eigenen Spielen eine Rolle. Ihre Mannschaftskolleginnen wollen immer mal wieder von ihr wissen, wie sie bestimmte Situationen einschätzt. „Andersherum wollen sie dann aber nicht hören, wenn ich ihnen sage, dass wir selbst besser auf Fouls aufpassen sollten.“ Julia lacht. Sie würde von sich selbst nicht behaupten, sich besser an die Regeln zu halten, nur weil sie auch Schiedsrichterin ist. Aber durch die vielen Spiele, die sie sieht, schaut sie sich natürlich schon taktisches Verhalten von anderen ab.

image1.jpeg Bei den Männern pfeift Julia auch Oberliga – hier beim ECDC Memmingen. Foto: Alwin Zwibel

Unterschiede im Spiel der Männer und Frauen

Die Taktik ist auch bei Spielen von Männern und Frauen ein großer Unterschied. Checks sind bei den Damen verboten – das mache das Pfeifen noch etwas schwieriger, findet Julia. „Bei den Männern gibt es viel mehr Grauzone, viel mehr Spielraum, mal etwas weiterlaufen zu lassen. Frauen spielen dafür eben technisch schöner. Aber es ist schwierig zu bewerten, was jetzt ein Check war und was nicht.“ sagt sie. Benachteiligt oder gar diskriminiert fühlt sie sich als Frau unter vielen männlichen Schiedsrichtern und Spielern nicht. Im Gegenteil. „Die meisten Männer geben mir einen Vertrauensvorschuss. Ich muss mich danach aber auf jeden Fall beweisen.“

Als Hauptschiedsrichterin hat Julia erst einmal bei der dänischen Meisterschaft der Frauen gepfiffen. Aber der Linesman-Posten ist ihr aktuell noch lieber. Sich auf bestimmte Aufgaben zu konzentrieren wie etwa die Frage nach dem Abseits macht ihr besonders Spaß. Und die Teamarbeit.

„Wir Schiedsrichter sind das dritte Team auf dem Eis und müssen von allen die beste Leistung bringen.“

Blaue Flecken vom Puck gehören dazu

Mit knapp 1,60 Meter hat Julia natürlich auch einen körperlichen Nachteil. Doch Angst, sich auch mal zwischen zwei Streithähne zu stellen, hat sie keine. Von einem Nachwuchsspieler hat sie schon mal einen Schlag ins Gesicht abbekommen, unabsichtlich. „Gezielt bin ich noch nie angegangen worden. Klar, blaue Flecken vom Puck gehören dazu. Aber sonst ist noch nie etwas Schlimmes passiert“, sagt Julia.

Zu den rund 50 Liga-Spielen im Jahr kommen noch internationale Turniere hinzu. Mit Schiedsrichtern aus aller Welt, mit denen nur auf Englisch kommuniziert wird, steht Julia dann auf dem Eis. „Das sind super Erfahrungen.“ Ob sie womöglich bei der Olympia-Qualifikation der Frauen im August 2021 dabei sein wird, erfährt Julia im Herbst, wenn die Schiedsrichter-Einteilungen stattfinden. Später mal Weltmeisterschaften bei den Frauen zu pfeifen – das wäre Julias Traum. Die passende Lizenz dafür hat sie schon.

Erschienen in Eishockey am 03. Juli 2020

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