Auf dem Weg nach Tokio: Olympia-Premiere für Kanutin Ricarda Funk
Auf dem Weg nach Tokio: Olympia-Premiere für Kanutin Ricarda Funk
SerieEs sind ihre ersten Olympischen Spiele und sie will dort an bisherige Leistung anknüpfen: Slalom-Kanutin Ricarda Funk hat sich für Tokio 2021 qualifiziert. In einer Serie mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) begleiten wir Deutschlands Sportlerinnen auf dem Weg nach Tokio.
Meterhohe Bauzäune verdecken die Sicht auf die Augsburger Olympia-Strecke. Bagger und LKW rollen heran und häufen riesige Erdhügel entlang der Strecke auf. Das Areal wird umgebaut für die Heim-WM 2022. Immerhin übertönt das Tosen des Wassers den Baulärm. Mittendrin steht Ricarda Funk und freut sich, dass sie seit Anfang März endlich wieder auf der Olympiastrecke trainieren kann. „In Hinblick auf die Olympischen Spiele ist das total wichtig. Die Grundlagen kann ich zwar auch in leichterem Gewässer trainieren, aber für die Technik, auf die es wirklich ankommt, brauche ich Wildwasser.“
Auch im kalten Winter-Wasser wird trainiert
Bei den Weltmeisterschaften 2019 hat sich Funk den großen Traum erfüllt und den Quotenplatz für die Teilnahme im Einer-Kajak in Tokio herausgefahren. „Ich kann es bis heute nicht glauben. Wahrscheinlich realisiere ich das erst, wenn ich in Tokio an der Startlinie stehe“, sagt die 28-Jährige, die als Kind durch ihren Bruder zu dem Sport gekommen ist. Sie steht an der Waldstrecke, der ruhigsten der Augsburger Trainingskanäle. Im Hintergrund zwitschern die Vögel und die ersten grünen Blätter verkünden die Botschaft von Frühling. „Wir waren im Winter durchgängig auf dem Wasser und haben Grundlagen trainiert. Da ist es nicht so wichtig, wie warm das Wasser ist. Aber wenn wir jetzt an den Feinheiten arbeiten, ist es schon gut, wenn die Temperaturen steigen“, erzählt sie.
Es sind meine ersten Olympischen Spiele – das kann man nicht trainieren. Ich werde dort hinkommen und vor einer vollkommen neuen Situation stehen.
Bei einem ersten Warmwasser-Lehrgang Anfang Februar auf der französischen Insel La Réunion zeigte sich Funk schon in herausragender Form. Das lässt hoffen für Tokio diesen Sommer. „Ich will an meine bisherigen Leistungen anknüpfen. Aber es sind meine ersten Olympischen Spiele – das kann man nicht trainieren. Ich werde dort hinkommen und vor einer vollkommen neuen Situation stehen.“ Anders die Konkurrenz. Jessica Fox aus Australien zum Beispiel hat bereits zwei Olympia-Medaillen, und die Spanierin Maialen Chourraut holte 2016 in Rio Gold. Mit ihnen wird sich Ricarda Funk messen. Sie sagt: „Egal wie es ausgeht, am Ende will ich einfach mit meinen Läufen zufrieden sein.“ Und dafür trainiert sie hart.
Hartes Trainingspensum für Ricarda Funk
Das Pensum ist hoch, gerade im Winter waren mehr als 1.000 Minuten pro Woche und zwei bis drei Einheiten am Tag keine Seltenheit. Nun startet das hochintensive Training, bei dem es schon mal in einen Pulsbereich von 190 gehen kann. „Das werden jetzt harte Wochen, aber ich freue mich total darauf, richtig Gas zu geben“, sagt Ricarda Funk und lächelt. Die Kämpferin in ihr ist in jeder Sekunde greifbar. Dass Tokio 2020 verschoben wurde, hat die 28-Jährige erst einmal hart getroffen, auch wenn sie weiß, dass es die einzig richtige Entscheidung war. Gedanken über eine erneute Verschiebung hat sie verbannt – schließlich muss sie sich zu 100 Prozent auf das Training konzentrieren.
Das werden jetzt harte Wochen, aber ich freue mich total darauf, richtig Gas zu geben.
Dabei hilft der Kanutin auch, Sportsoldatin zu sein. „Ich bin stolz darauf, Teil der Sportförderung der Bundeswehr zu sein. Anders wäre es kaum machbar“, sagt sie. Und da sie 2017 bereits ihren Bachlor in „Medien und Kommunikation“ abgeschlossen hat und erst im Herbst mit einem Master weitermachen will, braucht sie auch für die Uni erst einmal keine Energie aufwenden.
Die Herausforderung: Weniger Torstäbe berühren
Und das ist gut so. Bis Tokio hat die gebürtige Rheinland-Pfälzerin schließlich noch einiges auf der Trainingsliste: Während Ricarda Funk im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht eine enorme Kraft mitbringt und diese im Rennen gut einsetzen kann, muss sie vor allem noch daran arbeiten, die Torstäbe nicht zu berühren. Jede Berührung gibt zwei Sekunden extra.
Für mich wird es so oder so etwas ganz Besonderes.
Jede Strecke, jedes Wasser, jeder Tag stellt die Slalom-Kanutin vor neue Herausforderungen. Und genau das liebt sie an dem Sport. Dass sie mit diesen Herausforderungen umgehen kann, hat Ricarda Funk schon einige Male bewiesen. Zu den größten Erfolgen zählt sie ihre erste Weltcup-Medaille 2012 und EM-Gold 2014, als sie das erste Mal für die Nationalmannschaft am Start war. „Das war ein unfassbares Gefühl. Ich war das erste Mal dabei und habe direkt den Titel geholt“, erinnert sich Funk. Auch Olympia wird das erste Mal für sie sein. Sie ist sicher, aufgeregt zu sein, sobald die Reise in Deutschland losgeht. Auch wenn Olympia durch die Corona-Pandemie anders sein wird, als sie es bisher aus dem Fernsehen kannte. „Für mich wird es so oder so etwas ganz Besonderes.“
Serie "Auf dem Weg nach Tokio"
Gemeinsam mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) realisieren wir derzeit eine Serie über Spitzensportlerinnen auf dem Weg nach Tokio. Neben Text und Video produziert meinsportpodcast.de dazu auch eine Podcast-Reihe, die unter dem Namen „Sportfrauen auf dem Weg nach Tokio“ auf der Plattform zu finden ist.
- Serie Teil 1: Das Beachvolleyball-Duo Karla Borger und Julia Sude
- Serie Teil 2: Radprofi Emma Hinze
- Serie Teil 3: Kunstturnerin Elisabeth Seitz
- Serie Teil 4: Karateka Jasmin Jüttner
- Serie Teil 5: Fechterin Alexandra Ndolo
Erschienen in Wassersport am 22. März 2021
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