Coronavirus

Frech und feige: Kommentar zur späten Olympia-Verschiebung

Am Dienstag kam das, worauf die Sportwelt seit Tagen wartet: die Verschiebung der Olympischen Spiele. Reichlich spät in einer Zeit, die für Sportlerinnen sowieso schon ungewiss und durcheinander ist. Ein Kommentar.

In den vergangenen Tagen habe ich mit vielen Sportlerinnen gesprochen. Über die Coronakrise, über abgesagte Ligabetriebe, über die Olympischen Spiele. Die Meinung war über alle Sportarten hinweg dieselbe: Olympische Spiele in diesem Jahr durchzuführen, wäre weder praktiabel noch verantwortungsvoll. Die Sportlerinnen, deren komplettes Training auf Ereignisse wie Olympia ausgerichtet ist, haben das erkannt, wozu das IOC scheinbar nicht in der Lage war. Oder zumindest waren die Beteiligten um IOC-Präsident Thomas Bach und den japanischen Premierminister Abe Shinzo zu feige, eine Entscheidung zu treffen.

Entscheidung erst durch öffentlichen Druck

Erst als Athleten und ganze Nationen wie Kanada ihre Teilnahme an den Spielen in Tokio absagten, wurde der öffentliche Druck zu groß. Auf der offiziellen Seite des IOC heißt es: "Unter den gegenwärtigen Umständen und auf der Grundlage der heute von der WHO vorgelegten Informationen sind der IOC-Präsident und der japanische Premierminister zu dem Schluss gekommen, dass die Spiele der XXXII. Olympiade in Tokio auf einen Zeitpunkt nach 2020, jedoch nicht später als im Sommer 2021, verschoben werden müssen, um die Gesundheit der Athleten, aller an den Olympischen Spielen Beteiligten und der internationalen Gemeinschaft zu schützen."

Die Sorge um die Gesundheit kommt reichlich spät. Die Athleten und Athletinnen so lange hinzuhalten, ist in einer Zeit, die geprägt ist von Unsicherheiten, gelinde gesagt eine Frechheit. Boxerin Nadine Apetz sagte uns im Interview: "Bei Olympia treffen die besten Athleten und Athletinnen der Welt aufeinander und dazu muss jeder von uns auf Top-Niveau sein. Aber da viele Sportstätten geschlossen sind, haben wir nicht die Möglichkeit dazu." Die Olympischen Spiele wären daher nur für diejenigen eine Chance gewesen, die sich nicht an die Regeln der Ausgangsbeschränkungen halten. Die Spiele der Betrüger.

Olympia-Verschiebung einzig richtiger Schritt

Tokio 2020 zu verschieben war der einzig richtige Schritt. Wieso diese Entscheidung so lange gedauert hat, mag viele Gründe haben. Soziale und faire waren es aber gewiss nicht. Es stand dabei wohl – wie viel zu oft in unserer Gesellschaft – das liebe Geld im Vordergrund. Zugegeben: Olympische Spiele sind teuer. Immerhin hat die Olympiade 2016 in Rio insgesamt 10,24 Milliarden Euro gekostet. Doch selbst diese Summe sollte nicht über die Gesundheit der Sportler und Sportlerinnen oder anderer Beteiligter gestellt werden.

Natürlich ist die Verschiebung für viele Sportlerinnen auch hart, keine Frage. So wollte etwa Karateka Jasmin Jüttner ihre erste und einzige Chance nutzen, an Olympia teilzunehmen. Schließlich ist Karate nur bei diesen Spielen eine olympische Disziplin. Das komplette Training hat sie seit Monaten und Jahren darauf ausgelegt, im Juli 2020 in Topform zu sein. Sie wird – wie viele andere – neu planen müssen. Das ist bitter. Aber ich bin sicher, die deutschen Sportlerinnen finden einen Weg, das Beste aus der Situation zu machen. Fair und ehrlich – im Gegensatz zum Olympischen Komitee.

Verfasst von Nina Probst

Erschienen in Coronavirus, Meinung am 25. März 2020

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