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NADA-Chefin Dr. Andrea Gotzmann über ihren Kampf um sauberen Sport

ExklusivDoping-Kontrollen in Zeiten von Corona, Erkenntnisse aus "Operation Aderlass" und eigene Erfahrungen: Wir haben mit NADA-Chefin Dr. Andrea Gotzmann über ihre Arbeit und Ziele rund um einen sauberen und dopingfreien Sport gesprochen.

Ein verantwortungsvoller Job, der beinahe 24/7 ihre Aufmerksamkeit fordert: Dr. Andrea Gotzmann ist Chefin der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA). Ob Prävention, rechtliche Fragen, Sanktionen, Kontrollen oder Verwaltung – als Vorsitzende ist Gotzmann in allen Abteilungen involviert. Ein sauberer Sport ist ihr ein wichtiges Anliegen und seit sie 2011 die Position übernommen hat, ist sie diesem Ziel immer näher gerückt. Im Interview mit Sportfrauen spricht sie über die Herausforderungen durch Corona, die Aufgabe der NADA in der Welt des Sports und ihre eigenen Erfahrungen mit Spitzensport und Doping.

Sie sind seit 2011 Vorsitzende der NADA. Würden Sie die Corona-Krise als eine der schwierigsten Herausforderungen seither bezeichnen?

„Da hat es durchaus größere Herausforderungen gegeben. Zum Beispiel musste ich zu Beginn meiner Amtszeit um die Finanzierung der NADA kämpfen. Während die Organisation zuvor kein stabiles, nachhaltiges Finanzierungskonzept hatte – vor allem auf Grund der mangelnden Beteiligung von Sponsoren – wird die Arbeit der NADA nun vor allem durch den Bund garantiert. Corona hat uns vor ganz andere Probleme gestellt. Durch die vielen Auflagen und Verbote war natürlich der Sport und damit auch die Arbeit der NADA extrem betroffen. Unser klassisches Kontrollsystem mit Urin- und Blutproben musste dadurch komplett ausgesetzt werden, die Gesundheit aller Beteiligten stand an erster Stelle. Nach dem Lockdown haben wir aber sofort wieder mit den ersten Kontrollen - beginnend mit dem Fußball - weitergemacht.“

Dann ist die Fairness nach wie vor gewährleistet?

„Die Pandemie hat uns auch gezeigt: Unsere Arbeit wird geschätzt. Viele deutsche Sportlerinnen und Sportler wollten unbedingt weiter getestet werden und zeigen, dass sie sauber sind. Mir hat das einmal mehr klar gemacht, wie wichtig unsere Arbeit ist, um einen fairen Sport umzusetzen und für Chancengleichheit zu sorgen. Jetzt pauschale Verdächtigungen auszusprechen, wäre nicht richtig. Das würde ja bedeuten, wir glauben, die Sportlerinnen und Sportler sitzen nur zuhause und warten auf eine gute Gelegenheit, zu dopen. Das Gegenteil ist der Fall: Viele warten darauf, endlich wieder kontrolliert zu werden.“

"Die Pandemie hat uns auch gezeigt: Unsere Arbeit wird geschätzt. Viele deutsche Sportlerinnen und Sportler wollten unbedingt weiter getestet werden und zeigen, dass sie sauber sind."

Und trotzdem tauchen immer wieder positive Fälle auf.

„Wir werden nie vermeiden können, dass einige wenige das System unterlaufen wollen. Doch Fälle wie bei „Operation Aderlass“ haben uns gezeigt, welch immenser Aufwand mit Inkaufnahme unberechenbarer gesundheitlicher Risiken dazu notwendig ist. Es bleiben nur ganz kleine Zeitfenster, um zu dopen. Unser System funktioniert, deswegen decken wir ja auch immer wieder Fälle auf.“

Unser deutsches System mag funktionieren. Aber haben deutsche Athlet*innen auch im Ländervergleich dieselben Chancen auf fairen Sport?

„Zuallererst will ich hier in Deutschland ein gutes System haben. Sport ohne Doping ist für mich der Normalfall und durch internationale Aktivitäten versuchen wir immer, daran zu erinnern. Aus der Position der Stärke heraus können wir Verbesserungen bei anderen anmahnen, bei denen es nicht so gut funktioniert. Durch entsprechende Statements aber auch mit Kooperationsprojekten versuchen wir, auf diese Länder Druck aufzubauen und das Bewusstsein für einen sauberen Sport zu schärfen.“

Was macht das deutsche System so gut?

„Vor allem was die Quantität der Kontrollen angeht, sind wir weltweit führend. Mit zwei Laboren, in denen zahlreiche, hoch angesehenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten, nutzen wir ständig neue Analysemethoden. Wir frieren zudem Proben ein und re-analysieren sie nach Jahren mit neuen und verfeinerten Analysemethoden. Das ist gemäß dem aktuellen Regelwerk bis zu zehn Jahre möglich. Außerdem haben wir unsere Präventionsarbeit über die Jahre ständig weiter ausgebaut, um die jungen Sportlerinnen und Sportler aufzuklären und sie vor Doping zu schützen. Prävention ist die Basis eines funktionierenden Anti-Doping-Systems. An der Deutschen Sporthochschule Köln wurde ein Lehrstuhl für präventive Dopingforschung etabliert. Hier wird der Markt für neue Medikamente beobachtet, um frühzeitig für potentielle neue Dopingsubstanzen Nachweisverfahren zu entwickeln.“

"Vor allem was die Quantität der Kontrollen angeht, sind wir weltweit führend."

Sie selbst haben auch in Köln studiert und promoviert. War die Anti-Doping Arbeit schon immer interessant für Sie?

„Ich habe Sportwissenschaften und Chemie studiert und nach einem Weg gesucht, beides zu verbinden. Zuerst war ich lange Zeit am Lehrstuhl für Biochemie tätig, bis sich die Chance bei der NADA ergeben hat. Als ehemalige Leistungssportlerin hat mich das Thema auch privat immer interessiert.“

Waren Doping-Kontrollen schon in Ihrer aktiven Sportzeit ein Thema?

„Nein, gar nicht. Ich habe bis 1991 Basketball gespielt und erst in diesem Zeitraumwurden Trainingskontrollen eingeführt. Ich selbst bin kein einziges Mal kontrolliert worden. Im Basketball war das damals noch gar kein Thema. Gerade mal bei der Universiade 1983 in Edmonton, Kanada, erfuhren wir , dass es dort Dopingkontrollen nach dem Wettkampf geben könnte. Die einzige Prävention oder Vorbereitung darauf war der Tipp, dass wir nicht zu viel Kaffee trinken sollen.“

Auch heute gehört Basketball ja nicht zu den Risikosportarten im Doping.

„Das stimmt. In Risikogruppe 1 haben wir vor allem Sportarten, in denen Ausdauer und Kraft eine übergeordnete Rolle spielen. Also Sportarten wie z.B. Radsport, Gewichtheben, Triathlon oder verschiedene Disziplinen in der Leichtathletik. Natürlich kann man auch bei den Mannschaftssportarten Doping auf keinen Fall ausschließen, auch wenn hier Technik und Taktik einen höheren Stellenwert haben. Doping kann auch dazu dienen, Regenerationsphasen zu verkürzen oder nach Verletzungen schneller wieder fit zu sein.“

Häufiger hört und liest man auch über männliche Sportler, die positiv getestet werden. Entspricht das der Realität?

„Wir differenzieren in unseren Statistiken nicht zwischen Männern und Frauen, daher kann ich keine exakten Zahlen nennen. Aber es ist sicher nicht so, dass vor allem männliche Athleten positiv getestet werden. Unter den wenigen positiven Fällen der vergangenen Jahre sind leider auch genügend weibliche Athletinnen. Nur durch mediale Darstellung des Sports, die ja immer noch vor allem männlich orientiert ist, macht es den Eindruck als sei auch Doping eine Männersache. Das ist es aber nicht.“

"Unter den wenigen positiven Fällen der vergangenen Jahre sind leider auch genügend weibliche Athletinnen."

Immerhin in vielen Führungspositionen im Sport sind Frauen unterrepräsentiert. Wie ist das bei der NADA?

„Wir haben tatsächlich ein sehr ausgewogenes Team und rund 60 Prozent Frauen, auch in leitenden Positionen. Viele junge, engagierte Leute arbeiten bei der NADA. Uns alle eint die Faszination für den Sport und der Wunsch nach Fairness und Chancengleichheit.“

Was wünschen Sie sich, damit im Sport noch weniger gedopt wird?

„In erster Linie wünsche ich mir ein noch größeres Bewusstsein für dopingfreien Sport. In Deutschland haben wir schwere Zeiten hinter uns und an diesem Bewusstseinswandel müssen wir immer weiter arbeiten. Wir müssen noch besser in Schulen vertreten sein und jungen Menschen die Problematik näher bringen. Junge Sportlerinnen und Sportler sollen lernen, mit Druck und Stress umzugehen und sich moralisch und ethisch richtig zu verhalten. Das ist der nachhaltigste Ansatz im Kampf gegen Doping. Und da sind wir auf einem sehr guten Weg.“

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Gotzmann!

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Erschienen in Badminton, Basketball, Bergsport, Biathlon, Eishockey, Eiskunstlauf, Football, Frauen im Sportbusiness, Fußball, Handball, Hockey/Floorball, Kampfsport, Langlauf, Leichtathletik, Motorsport, Radsport, Schwimmen, Ski Alpin, Ski Cross, Skispringen, Snowboard, Tennis, Tischtennis, Turnen, Volleyball, Wassersport am 26. Juni 2020

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