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,Ich wünsche mir mehr Sensibilisierung für Behinderungen, die man von außen nicht sieht'

Wie ist es, als Gehörlose bei Radrennen von Hörenden mitzufahren? Bianca Metz weiß das. Sie fährt sowohl Rennen des Deutschen Gehörlosen Radsports (DGS) als auch beim BDR. Wie sie das erlebt und was sie sich noch wünschen würde.

Bianca Metz ist von Geburt an gehörlos – eine Behinderung, die man auf den ersten Blick kaum wahrnimmt. Diese Form der Behinderung ermöglicht ihr zum einen, auch mal an normalen BDR-Rennen teilzunehmen. Zum anderen wird ihr so auch wenig Verständnis entgegengebracht für zusätzliche Anstrengungen. In Teil 1 unseres Interviews hat sie bereits erzählt, wie sie überhaupt zum Radfahren gekommen ist und wo die besonderen Schwierigkeiten für sie liegen.

Bianca, wie oft trainierst du eigentlich?

„In meinen Topzeiten saß ich sechsmal pro Woche auf dem Rad, im Schnitt pro Einheit zwischen 1,5 und 2 Stunden. Das Hinterland des Bodensees, das an die Schwäbische Alb angrenzt, ist recht hügelig und man kann auch bei vergleichsweise wenig Zeitaufwand bzw. gefahrenen Kilometern doch ganz ordentlich fit werden und auch bleiben. Nach Beginn meines Studiums vor etwa drei Jahren habe ich das Training und auch die Wettkämpfe deutlich herunterfahren müssen. Seit März bin ich berufstätig, arbeite bei einer Behörde und fahre jetzt langsam wieder hoch. Corona hat die ganze Sache ein wenig verzögert, aber so langsam ist es ja zum Beispiel auch wieder möglich, in der Gruppe zu fahren. Das macht mir immer noch am meisten Spaß und gibt mir Sicherheit, die ich alleine aufgrund meines Handicaps nicht habe.“

Fühlst du dich oft unsicher?

„Gefährlich finde ich das Radfahren mitunter schon, aber nicht wegen meiner Behinderung, sondern wegen der bescheidenen Situation für unsereins – es fehlt an sicheren, gut ausgebauten und möglichst vom Autoverkehr abgetrennten Radwegen, viele sind unübersichtlich und schlecht konzipiert, das heißt viele Kurven, häufiges Wechseln der Straßenseite, teilweise endet der Weg auch einfach im Nirgendwo.“

Du bereitest dich manchmal vor, indem du bei „ganz normalen“ BDR-Rennen mitfährst. Warum das?

„Die Rennen beim BDR sind eine gute Übung, weil es dort in der Regel viele Teilnehmende gibt, gerade auch bei den Frauen. Die meisten wissen nichts von meiner Behinderung und können während des Wettkampfes auch keine Rücksicht darauf nehmen. Aber genau darin sehe ich einen Vorteil: Man gewöhnt sich an das Fahren in der Gruppe, kann sich auch einige Dinge abschauen, erkennt die Zeichen einer bevorstehenden Attacke und ist mittendrin dabei. Natürlich ist es aber auch ein Risiko, und das war mir gerade in der Zeit des Studiums zu groß. Ich hätte es mir absolut nicht leisten können, für ein paar Wochen verletzt im Krankenhaus zu liegen.“

image.jpg Bianca Metz (Mitte) konnte schon zu einigen Erfolgen fahren.

Wie kommst du bei diesen Rennen klar?

„Meistens komme ich gut zurecht, brauche aber auch viel Aufmerksamkeit für das Geschehen drumherum, weil ich zum Beispiel nicht immer merke, wenn jemand hinter oder neben mir fährt. Ohne Begleitperson im Publikum, die mir Zeichen gibt, fühle ich mich zugegebenermaßen auch etwas unwohl, weil ich nicht sicher sein kann, ob es wirklich die letzte Runde ist und ich die Glocke nicht gehört habe, oder ob es tatsächlich noch gar keine gab.“

Wie reagieren andere Radsportler auf deine Behinderung?

„Die meisten sind tolerant, fragen aber auch nicht weiter nach. Im Großen und Ganzen muss man schon sehen, dass man als Mensch mit Handicap auf sich allein gestellt ist und natürlich keinen Ausgleich für eventuelle höhere Belastungen bekommt. Immerhin habe ich aber keine körperlichen Beeinträchtigungen, denn sonst wäre mir die Teilnahme an solchen Rennen wahrscheinlich nicht möglich bzw. nicht gerecht, und dann würde das ja auch keinen Spaß machen.“

Unterstützt dich dein aktueller Verein RSV Seerose dabei?

„Ja, auf jeden Fall. Hier werden zum Beispiel jedes Jahr auch Rennen für Sportler*innen mit Behinderungen ausgerichtet. Inklusion spielt hier eine große Rolle. Ich fühle mich hier gut aufgehoben.“

Was würdest du dir bezüglich der Inklusion im Radsport noch wünschen?

„Mehr Aufmerksamkeit für den Gehörlosen-Sport und Sensibilisierung für Behinderungen, die man von außen nicht sieht und die erst mal keine direkte Einschränkung beim Radfahren zur Folge haben, aber trotzdem vorhanden sind und manchmal mit sehr einfachen Mitteln unterstützt werden können, zum Beispiel einer Fahne statt eines akustisches Signals.“

Setzt du dich selbst auch dafür ein?

„Beruflich stehe ich ja erst am Anfang, gehe gerne meiner aktuellen Arbeit als Teilhabemanagerin für Menschen mit Behinderung(en) nach und schaue mal, was das Leben noch so für mich bereithält. Mit dem Studium – Public Management – ist man jedenfalls im Verwaltungsbereich bzw. was die Arbeit bei Behörden angeht, sehr flexibel. Das ist auf jeden Fall das Richtige für mich und ich kann behaupten, mit mir selbst im Reinen zu sein.“

Welche Ziele hast du sportlich gesehen noch?

„Ich möchte weiterhin auf Titeljagd bei den Gehörlosen gehen und auch an BDR-Rennen teilnehmen – wenn das jetzt nicht mehr so klappt wie vor dem Studium, ist das für mich aber auch in Ordnung, da ich im Training nicht mehr so hart zu mir selbst bin und nicht um jeden Preis auf dem Rad sitzen muss, zum Beispiel bei schlechtem Wetter oder wenn es mir eigentlich gar nicht danach ist.“

Danke für das Interview und viel Erfolg weiterhin!

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Erschienen in Radsport am 04. Juli 2020

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