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Auf dem Weg nach Tokio: Judoka Theresa Stoll will alles auf die Matte bringen

SerieErst Weltmeisterschaft, dann Olympia: Die nächsten Tage und Wochen werden für Judoka Theresa Stoll besonders spannend. In einer Serie mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) begleiten wir Deutschlands Sportlerinnen auf dem Weg nach Tokio.

Wenn Theresa Stoll am Dienstag (8. Juni) auf der Matte steht, ist das für sie die Generalprobe für die Olympischen Spiele. Bei der Weltmeisterschaft in Budapest kann die bereits für Tokio qualifizierte Judoka ihre Form testen, um in den nächsten Wochen noch an der ein oder anderen Schraube zu drehen. „Körperlich bin ich sehr gut drauf und so langsam kommt auch die Wettkampfroutine zurück“, erzählt die 25-jährige Münchnerin.

Stärke und Selbstbewusstsein auf der Matte

Zwar holte sie bei den Europameisterschaften Ende 2020 in Prag in ihrer Gewichtsklasse (bis 57 Kilo) die Bronze-Medaille. Aber sie habe dort gemerkt, dass Stärke und Selbstbewusstsein auf der Matte nach der Coronapause noch fehlten, sagt sie. Auch daran hat sie in den vergangenen Wochen und Monaten in ihrem Heimatverein in München gearbeitet und zuletzt auch bei Wettkämpfen wie beim Grand-Slam-Turnier in Russland gute Leistungen gezeigt.

Stoll erinnert sich noch gut an den Moment, als der Bundestrainer ihr sagte, dass sie vom Deutschen Judo-Bund für Olympia nominiert sei. „Das war vergangenes Jahr beim Heim-Grand-Prix in Düsseldorf, kurz vor dem Training“, erzählt sie rund sieben Wochen vor den Olympischen Spielen. Sie lacht. 

Es war total unspektakulär, aber natürlich trotzdem schön, die definitive Entscheidung zu hören.

Diese Entscheidung bedeutete auch: Stolls Zwillingsschwester Amelie wird nicht bei den Olympischen Spielen starten, da pro Gewichtsklasse nur ein:e Athlet:in jeder Nation zugelassen ist. „Das ist eine Tatsache, mit der wir im Judo groß geworden sind. Wir waren darauf vorbereitet. Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, wie hart das für Amelie sein muss“, sagt Theresa Stoll. Sie hofft, dass ihre Schwester als ihre Trainingspartnerin die Erlaubnis bekommt, sie nach Tokio zu begleiten. Die Zustimmung des IOC hierfür liegt aktuell noch nicht vor.

Früh im Leistungssport gefördert

Gemeinsam haben die Zwillingsschwestern als Achtjährige mit Judo begonnen, weil ihr älterer Bruder das damals machte. Und sie waren sofort begeistert. „Für Kinder ist das ein Paradies hier“, sagt Theresa Stoll und zeigt auf die mit Matten verkleidete Halle des TSV Großhadern. Schnell stellte sich heraus: Theresa und Amelie haben Talent. Früh wurden die Zwillinge gefördert und sind in den Leistungssport hineingewachsen.

Foto:
IJF Emanuele Feliciantonio

Judo ist eine Ganzkörpersportart und wenn Theresa Stoll nach zweimal Training am Tag abends vollkommen ausgepowert ins Bett geht, ist sie glücklich. Kraft, Koordination, Ausdauer und zahlreiche spezifische Techniken stehen auf ihrem Trainingsplan. Und natürlich immer auch der Kampf selbst. „Das Gefühl, den Gegner auf den Rücken zu legen und einen Kampf zu gewinnen, ist unbeschreiblich“, sagt Stoll. Ihre Stärken sind der Griffkampf und ihre Schnelligkeit. Mit einem Mentalcoach arbeitet die Judoka außerdem daran, im entscheidenden Moment nicht an sich zu zweifeln.

Olympiatraum und Medizinstudium

Mit Ehrgeiz und Gewissenhaftigkeit hat es Theresa Stoll dorthin gebracht, wo sie jetzt steht: auf Judomatten mit den besten Kampfsportlerinnen der Welt. Aber nicht nur im Sport bringen sie diese Eigenschaften weiter. Die Münchnerin studiert Medizin. „Ich will Ärztin werden, aber ich will auch zu Olympia. Und ich will beides am liebsten gleichzeitig.“ Also nahm die 25-Jährige die Doppelbelastung auf sich. Mit Erfolg. Im Studium bringt Stoll gute Leistungen und zieht die Prüfungen zwischen Wettkämpfen und Trainingseinheiten durch. Sie sagt: 

Ich profitiere davon, dass ich mich im Training körperlich und in der Uni geistig auspowern kann.

Damit all das funktioniert, wird Theresa Stoll seit vielen Jahren von der Deutschen Sporthilfe unterstützt. Durch das Deutsche-Bank-Sportstipendium und die ElitePlus-Förderung von PwC Deutschland kann sie sich voll auf Sport und Studium konzentrieren. Die Athletin sagt: „Ohne die Sporthilfe wäre das nicht möglich, da ich mir sonst ja meinen Lebensunterhalt nicht verdienen könnte.“ Und so kann sie jetzt beides machen: Medizin studieren und im Juli nach Tokio fliegen.

Olympia-Medaille könnte drin sein

Im Gastgeberland der Olympischen Spiele ist Judo ein Volkssport und die japanischen Athlet:innen daher auch eine große Konkurrenz. „Das Schöne beim Judo ist aber, dass am Ende jeder gewinnen kann. Wer eine Millisekunde nicht aufpasst, liegt auf dem Rücken und alles ist vorbei“, sagt Stoll. Wenn sie am Tag ihrer Olympia-Kämpfe topfit ist und alles auf die Matte bringen kann, traut sich die 25-Jährige viel zu. Auch eine Medaille.

Foto: IJF Gabriela Sabau

Davon hat die Judoka schon viele gewonnen – national und international. Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist ihr der Heim-Grand-Prix 2017 in Düsseldorf. Theresa Stoll war da erst kurz im Profibereich der Frauen angekommen und ging mit entsprechend wenig Druck in den Wettkampf. „Von Kampf zu Kampf habe ich mehr Selbstvertrauen gewonnen, bis ich im Finale der Vize-Olympiasiegerin von Rio gegenüberstand“, erzählt Stoll. Sie besiegte die starke Konkurrentin aus der Mongolei. „Später die Nationalhymne zu hören war sehr eindrucksvoll und wirklich schön.“

Größere Konkurrenz bei der Weltmeiserschaft

Auch bei den Weltmeisterschaften in Budapest könnte die Hymne wieder für Theresa Stoll laufen. Die Konkurrenz dort ist größer, als sie es bei Olympia sein wird, denn hier dürfen in jeder Gewichtsklasse zwei Athlet:innen pro Nation starten. Für den Deutschen Judo-Bund (DJB) geht zwar in ihrer Gewichtsklasse nur Theresa an den Start, Amelie Stoll wird dafür aber in der Mannschaft antreten.

Nach der WM ist vor Olympia. Bis es in den Flieger nach Tokio geht, wird Stoll noch zwei Trainingslager absolvieren und an den Feinheiten arbeiten. Auch wenn in Japan das Stadion nicht mit jubelnden Zuschauern gefüllt sein wird, kann die Judoka die Anreise kaum erwarten. 

Ich freue mich total. Das ist der Moment, für den ich schon mein ganzes Sportlerleben trainiere.


Serie "Auf dem Weg nach Tokio"

Gemeinsam mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) realisieren wir derzeit eine Serie über Spitzensportlerinnen auf dem Weg nach Tokio. Neben Text und Video produziert meinsportpodcast.de dazu auch eine Podcast-Reihe, die unter dem Namen „Sportfrauen auf dem Weg nach Tokio“ auf der Plattform zu finden ist.

Erschienen in Kampfsport am 07. Juni 2021

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