Langlauf
Svenja Würth über ihren Neustart in der Nordischen Kombination
Svenja Würth über ihren Neustart in der Nordischen Kombination
ExklusivAls Skispringerin ist Svenja Würth seit einigen Jahren im Weltcup unterwegs. In der kommenden Saison wird die 27-Jährige nicht nur auf der Schanze, sondern auch in der Loipe zu finden sein. Wir haben mir ihr über den Wechsel in die Nordische Kombination und die kommenden Herausforderungen gesprochen.
Team-Mixedspringen im finnischen Lahti, im Jahr 2017: Svenja Würth wird Weltmeisterin. Die heute 27-Jährige feiert weitere Erfolge im Skispringen und beweist Kampfgeist. Nach zwei schweren Verletzungen 2014 und 2017 – ein Kreuzbandriss und der Bruch des sechsten Halswirbels – kämpft sie sich mit viel Eifer und Disziplin zurück auf die Schanze. Doch jetzt hat die Polizeibeamtin entschieden, eine neue Herausforderung zu suchen. In der kommenden Saison wird die Athletin vom WSV Baiersbronn in der Nordischen Kombination an den Start gehen – für Frauen war das lange nicht möglich. Wir haben mit Svenja Würth über die Gründe für den Wechsel, das neue Training und die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gesprochen.
Wie kommt es, dass du dich in der kommenden Saison auf die Nordische Kombination konzentrieren willst?
„Die Idee hatte ich schon ein bisschen länger. Als ich mit sieben Jahren mit dem Skispringen angefangen habe, war es bei mir im Verein üblich, dass man erstmal in der Nordischen Kombination anfängt und eben auf der Schanze und in der Loipe trainiert und sich erst später auf Skispringen oder Langlauf spezialisiert. Dadurch habe ich schon von klein auf auf Langlauf-Ski gestanden. Aber in der Nordischen Kombination gab es nie eine Plattform oder eine eigene Klasse für Mädels. Früher bin ich immer mit den Jungs mitgelaufen, aber irgendwann macht sich dann der Leistungsunterschied bemerkbar und man merkt, dass man da als Mädchen nicht mehr mitlaufen kann. Da bin ich dann zum Skispringen.“
Jetzt gibt es diese Plattform für Nordische Kombinierinnen?
„Genau. Als jetzt in den letzten Jahren die Diskussion aufkam, dass die Nordische Kombination der Damen olympisch werden und es einen Weltcup geben soll, habe ich das immer so ein bisschen mitverfolgt. Während meiner Verletzungen in den letzten Jahren hatte ich auch immer viel Zeit mir Gedanken zu machen. Jetzt im Frühjahr war für mich dann die Chance da, das zu machen, was ich schon früher machen wollte, weil es jetzt die Plattform gibt. Nach vielen Gesprächen habe ich mich dann dazu entschieden, den Schritt zu wagen.“
Wie hat sich dadurch dein Trainingsalltag verändert und was ist die größte Umstellung?
„Es hat sich tatsächlich extrem viel geändert. Die Umfänge sind viel größer, weil ich jetzt im Prinzip zwei komplett gegensätzliche Sportarten trainieren muss. Zum einen Schnellkraft fürs Skispringen und zum anderen dann Ausdauer für das Langlaufen. Es war schon eine große Umstellung am Anfang. Die Tage sind relativ voll, da bleibt wenig Zeit für andere Dinge. Aber es macht mir wahnsinnig viel Spaß und es war schön, jede Woche komplett neue Inhalte auf dem Trainingsplan zu haben und viel Neues zu lernen. In den letzten Jahren war mein Training doch immer irgendwie ähnlich und jetzt konnte ich mal wieder was komplett anderes trainieren und Fortschritte machen und sehen.“
Im Februar bist du einen Tag nach dem Teamspringen bei einem Continental-Cup als Kombiniererin an den Start gegangen und musstest beim Langlaufen dann aufgeben. Kannst du dir weiterhin Starts in beiden Disziplinen vorstellen?
„Mein Fokus was das Training angeht liegt auf der Nordischen Kombination. Theoretisch wäre die Chance im Skispringen aber da und mir stehen beide Türen offen. Ich werde jetzt bei der Deutschen Meisterschaft am Wochenende auch in beiden Sportarten an den Start gehen. Auch im Training war ich jetzt immer mal wieder bei den Skispringerinnen dabei, um weiterhin den Vergleich zu haben. Und auch die Trainer haben mich da noch auf dem Schirm. Im Winter kann es durchaus sein, dass ich vielleicht auch noch bei einem Skisprung-Weltcup mit an den Start gehe. Mein Hauptfokus liegt aber auf der Kombination.“
Svenja Würth will auch im Skispringen weiter starten. Foto: privat
Wie schätzt du dort ds Leistungsniveau ein?
„Ich finde das Niveau ist relativ hoch. Da hat sich die letzten Jahre viel getan. Ich dachte am Anfang schon, wenn ich eben gut Skispringe, dann bringe ich den Vorsprung vielleicht irgendwie über die Runde. Im Februar habe ich dann aber als Skispringerin schnell gemerkt, dass es ohne Ausdauertraining nicht funktioniert. Trotzdem haben wir jetzt versucht, dass meine Stärke weiterhin das Skispringen bleibt und ich hoffe, dass das auch im Winter so sein wird. Aber in der Konkurrenz sind viele junge Mädels, die in ihrem Alter noch einen großen Sprung machen können, gerade im Ausdauertraining. Ein Selbstläufer ist das definitiv keiner und ich denke auch, dass das Niveau von Jahr zu Jahr deutlich höher wird.“
Auch die deutsche Mannschaft der Kombiniererinnen ist sehr jung und du bist die älteste Athletinn im Team. Wie ist das für dich?
„Ich bin die Oma (lachend). Es war tatsächlich am Anfang ein bisschen ungewohnt für mich. Aber da die Mädels fast alle seitdem sie elf oder zwölf Jahre alt sind auf Sportinternate gehen und relativ weit sind, merkt man den Altersunterschied nicht so. Aber klar, manchmal sind da dann Gesprächsthemen beim Essen, da wird dann über die Führerscheinprüfung geredet, da denke ich mir dann schon – uhh, das ist bei dir schon lange her. Da merk ich dann, dass sie einfach jünger sind. Aber für mich ist es auch eine neue Situation in einem jungen Team zu trainieren. Ich konnte wahnsinnig viel von den jungen Mädels lernen. Gerade im Ausdauertraining sind sie mir natürlich ein paar Schritte voraus und konnten mir da relativ viele Tipps geben, aber dafür konnten sie sich dann von mir beim Skispringen das ein oder andere abschauen. Das ist ein Geben und Nehmen.“
Wie zufrieden bist du mit deiner Vorbereitung?
„Soweit bin ich sehr zufrieden. Im Springen konnte ich das Niveau ganz gut halten. Phasenweise ging es ein bisschen in den Keller, dann wieder hoch. Natürlich ist es am Anfang ein bisschen schwierig da den Mittelweg zwischen beiden Sportarten zu finden, aber ich glaube, dass wir einen ganz guten Weg eingeschlagen haben. Gerade im Laufen hat sich relativ viel entwickelt. Da habe ich im Frühjahr bei null angefangen und bin mit dem Fortschritt zufrieden und meine Trainer auch. Ich hoffe, dass es bis zum Winter noch ein kleines bisschen voran geht.“
Svenja Würth beim Sommertraining. Foto: privat
Am Wochenende stehen die Deutschen Meisterschaften in Oberstdorf an. Zum allerersten Mal gibt es einen Wettkampf für die Nordischen Kombiniererinnen. Was hast du dir vorgenommen?
„Im Skispringen kann ich es schwierig einschätzen. Da weiß ich nicht hundertprozentig, wo ich da stehe. Ich möchte mir aber die Chance nicht nehmen lassen und alle Wettkämpfe mitmachen. In der Kombination habe ich keine so riesen Erwartungen. Ich möchte meine Stärke, das Springen, zeigen und dann möglichst gut durch die Loipe kommen und auf der Strecke zeigen, was ich mir über den Sommer erarbeitet habe. Ich sehe das jetzt als Standortbestimmung für den Winter und habe danach noch ein bisschen Zeit an der ein oder anderen Schraube nachzudrehen, bis es dann wirklich richtig los geht.“
Während es bei den Männern auch einen Teamwettkampf in der Nordischen Kombination gibt, starten die Frauen nur in einem Wettkampf. Wünschst du dir mehr Gleichberechtigung von Frauen und Männern?
„Ja klar. Es ist schon schade, dass wir so einen Teamwettbewerb nicht haben. Ich fände es auch interessant, wenn wir einen Wettkampf gemischt mit den Männern hätten, vielleicht als Zweierteam mit einer Dame und einem Mann. Aber ich weiß auch vom Damenskispringen, dass es relativ lange gedauert hat, bis da der Teamwettkampf ins Programm aufgenommen wurde. Es ist natürlich schade, wenn man nur einen Wettkampf hat. Auch im Winter gibt es in der Damenkombination ja leider nur wenige Wettkämpfe. Da gibt es schon noch sehr viel, was sich die nächsten Jahren tun muss und hoffentlich auch tun wird.“
Während es bei den Männern im Weltcup 22 Einzelwettbewerbe an elf Orten gibt, gibt es für Frauen lediglich vier Wettkämpfe an zwei Wettkampforten. Ursprünglich waren eigentlich mehr Wettkämpfe geplant, die aber aus finanziellen und organisatorischen Gründen gekürzt wurden.
„Das finde ich tatsächlich extrem schade. Ich hätte mir schon gewünscht, dass es vielleicht vier oder fünf Wochenenden gewesen wären. Zwei Wochenenden sind schon wenig. Ursprünglich war ja auch Schonach als Weltcup in Deutschland im März noch mit drin, der wurde dann leider auch rausgestrichen. Wenn ich daran denke, dass der erste Weltcup im Dezember sein soll und das Weltcupfinale dann schon am 2. Januar, dann ist die Saison eher bescheiden. Durch die WM hinten raus und die zweite Serie kann man schon ein paar Wettkämpfe zusammenkriegen, aber mit den zwei Weltcups kann man es gerade so als Serie bezeichnen. Ich hätte ich mir zwei, drei Orte mehr gewünscht.“
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass die Nordische Kombination als eine der letzten Wintersportarten auf Weltniveau bislang den Männern vorbehalten war?
„Ich weiß es nicht. Frauen können Skispringen und Frauen können Langlaufen, warum sollen sie dann nicht beides kombinieren können? Die Nordische Kombination der Männer gibt es ja wirklich schon ewig. Schade, dass es da für die Frauen wirklich lange gedauert hat. Aber das Skispringen der Frauen wurde auch erst 2014 olympisch. Da hat es auch sehr, sehr lange gedauert, bis da mal ein Stück weit Gleichberechtigung da war. Soweit ich weiß, ist die Nordische Kombination die einzige Wintersportart für Frauen, die bisher nicht olympisch ist. Auch für 2022 wurde sie leider nicht mit ins Programm aufgenommen. Ich hoffe, dass es dann 2026 endlich eine olympische Sportart wird. Ich finde es schade, dass es da immer noch so große Unterschiede zwischen Männer- und Frauensport gibt. Interesse ist auf jeden Fall da, das zeigt nicht zuletzt der Nachwuchs. Da gibt es wahnsinnig viele, die den Weg einschlagen. Ich glaube momentan gibt es in der Nordischen Kombination sogar mehr Mädels im Nachwuchs als im Damen-Skispringen. Das Interesse ist da, aber die Plattform hat bisher einfach gefehlt.“
Auch Skispringen war für Frauen lange Zeit nicht olympisch. Foto: privat
Als Highlight steht 2021 die Premiere der Nordischen Kombination der Frauen bei der Nordischen Ski WM in Oberstdorf an. Ist die Heim-WM auch ein großes Ziel für dich?
„Ja, auf jeden Fall. Das hat auch sicherlich meine Entscheidung ein Stück weit beeinflusst, weil ich es als große Chance sehe. Eine Heim-WM ist immer nochmal was Besonderes und wenn man dann noch eine Premiere feiern darf, ist das schon cool. Ich hoffe, dass ich ein Teil davon sein kann und dass auch alles soweit über die Bühne läuft damit es die Premiere in diesem Winter bei der WM geben kann.“
Auf was freust du dich in deiner ersten Saison als Nordische Kombiniererin am meisten?
„Die Heim-WM ist auf jeden Fall ein Highlight. Ich freue mich aber auch auf alles, was so kommt. Für mich ist alles neu und aufregend. Ich bin mit einem neuen Team und neuen Trainern unterwegs und das ganze Drumherum und die Abläufe sind für mich neu. Teilweise weiß ich noch gar nicht hundertprozentig, was mich im Winter erwartet und wie alles abläuft, da bin ich wirklich gespannt. Auch darauf, wie das alles so von den Medien aufgefasst wird – ob was übertragen wird und wie die Sportart an sich aufgefasst wird. Ich hoffe, dass wir das ganz gut vertreten können und ein gutes Bild abgeben, damit sich in den nächsten Jahres noch einiges tut und weitere Wettkämpfe der Frauen stattfinden.“
Was wünscht du dir für deine persönliche Zukunft aber auch für die Zukunft der Nordischen Kombination der Frauen?
„Das Wichtigste ist, dass ich gesund bleibe und die nächsten Jahre verletzungsfrei durchkomme. Da hatte ich die letzten Jahre doch oft Pech. Und ich hoffe einfach, dass ich den Weg der Nordische Kombination der Damen auch ein Stück weit mit ebnen kann und auch ein bisschen eine Rolle übernehmen kann, die Sportart voran zu bringen. Ich habe im Damenskispringen mitbekommen, wie mühsam der Weg sein kann, aber ich hoffe, dass wir ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen und dass wir sie Sportart gut repräsentieren können und zeigen können, dass Frauen Skispringen und Langlaufen können.“
Erschienen in Langlauf, Skispringen am 23. Oktober 2020
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