Fußball

Nach Abbruch der NWHL-Saison: Wie Frauen-Eishockey in Nordamerika um Anerkennung kämpft

Ein zweiwöchiges Turnier sollte über die Meisterschaft in der National Women’s Hockey League entscheiden. Aufgrund von Corona musste es nun aber bereits nach der Vorrunde abgebrochen werden. Das ist jedoch nicht das einzige Problem, mit dem die höchste Frauen-Eishockeyliga Nordamerikas zu kämpfen hat.

Elf Monate lang wurde in der National Women’s Hockey League (NWHL), der höchsten Frauenliga Nordamerikas, kein Eishockey mehr gespielt. Welcher Ort wäre also besser geeignet gewesen, um aus der unfreiwilligen Corona-Pause zurückzukehren, als die legendäre Herb Brooks Arena in Lake Placid? Dieser Ort steht wie kaum ein anderer für ein Eishockey-Märchen, welches 1980 die US-Amerikaner*innen in seinen Bann zog. Damals besiegte das US-Männerteam, das ausschließlich aus College-Spielern bestand, die als unschlagbar geltende Sowjetunion bei den Olympischen Spielen.

An diesem historischen Ort wollte die NWHL nun ihre Meisterinnen küren. Nach dem Vorbild anderer US-Ligen sollte die Saison 2020/2021 in einer Bubble ausgespielt werden – Vorrunde, Playoffs und Finale im Schnellformat, innerhalb von zwei Wochen. Ende Januar ging es los, das Finale sollte am 5. Februar stattfinden. Doch Corona macht dem Vorhaben einen dicken Strich durch die Rechnung. Am Mittwoch, einen Abend vor den Playoffs, sagte die NWHL die noch ausstehenden Spiele ab: „Die NWHL und die Olympic Regional Development Authority haben aufgrund neuer positiver COVID-19-Tests und den daraus resultierenden Sicherheitsbedenken für die Spielerinnen, das jeweilige Teampersonal und die Community vereinbart, dass der Rest der NWHL-Saison 2021 in Lake Placid ausgesetzt wird.“

Der NWHL fehlen Investoren und Geldgeber

Es wäre erst die sechste Saison gewesen, denn die NWHL ist noch eine sehr junge Liga. Sie wurde 2015 mit dem Anspruch gegründet, die erste professionelle Eishockeyliga für Frauen zu sein, die ihre Spielerinnen adäquat bezahlt. So wurde jeder Spielerin ein Mindestgehalt von 10.000 US-Dollar pro Saison versprochen, doch mitten in der zweiten Saison sah sich die NWHL gezwungen, dieses um 50 Prozent auf 5.000 US-Dollar zu kürzen. In der vergangenen Saison erhielt die bestbezahlte Spielerin gerade einmal 20.000 US-Dollar. Selbst im Frauensport, wo traditionell niedrige Gehälter ausgezahlt werden, wenn überhaupt, sind 20.000 US-Dollar für eine gesamte Saison sehr wenig.

Der Liga fehlen die Investoren und Geldgeber, einen Gewinn konnte die NWHL bisher ebenfalls noch nicht erwirtschaften. Das Turnier in Lake Placid sollte nun die Wende bringen und neue Fans und Sponsoren anlocken. Immerhin hat der Frauensport seit dem Weltmeistertitel der US-Fußballerinnen 2019 das Momentum auf seiner Seite. Während die großen US-Männerligen immer größere Probleme haben, Zuschauer*innen vor dem Fernseher zu halten, können sich die Frauen-Ligen über ein gesteigertes Interesse freuen. So stiegen die TV-Quoten beim Frauenfußball um sagenhafte 493 Prozent.

Doch anders als die Frauen-Basketballliga WNBA oder NWSL, die US-amerikanische Frauenfußballliga, ist die NWHL nur eine semiprofessionelle Liga. Und das ist einer der Hauptgründe, weshalb das Turnier nun abgebrochen werden musste. Denn die Spielerinnen sind größtenteils Amateurinnen, die neben dem Eishockey noch Vollzeitjobs haben – viele davon in der Gesundheitspflege – und deswegen im Vorfeld nicht in Quarantäne konnten. Es war deshalb wenig überraschend, dass sich bereits während der Vorrunde zwei der sechs Teams, die Metropolitan Riveters und die Connecticut Whales, aufgrund von Corona-Fällen aus dem Turnier verabschieden mussten.

Nun doch nicht: NWHL-Finale live auf NBC Sports

Es waren also nur noch vier Teams übrig, die in den Playoffs und im Finale um den Isobel-Cup kämpfen wollten: Boston Pride, Buffalo Beauts, Minnesota Whitecaps sowie das einzige Team aus Kanada, Toronto Six. Mit der Absage verpasste die NWHL auch einen historischen Moment: Während die Vorrundenspiele noch auf der Gaming-Plattform Twitch übertragen wurden, sollten die Playoff-Spiele sowie das Finale dagegen live im NBC Sports Network laufen.

Es wäre tatsächlich das erste Mal gewesen, dass ein Frauen-Eishockeyligaspiel live auf einem der großen Fernseh-Networks übertragen worden wäre. Darin setzten die NWHL sowie ihre Spielerinnen große Hoffnungen. So sagte die Kapitänin der Toronto Six, Shiann Darkangelo, im Vorfeld des Turniers:

„Ich möchte, dass die Leute sehen, dass wir ein gutes Produkt haben und es sich lohnt, einzuschalten. Wir alle möchten, dass der Sport wächst, damit wir eines Tages einfach nur Hockey spielen können und uns nicht auf einen anderen Job konzentrieren müssen, um uns selbst zu finanzieren.“

Dabei zählt Eishockey zu den beliebtesten Sportarten Nordamerikas. Die Frauen-Nationalmannschaften der USA und Kanadas dominieren den Sport wie kaum ein anderer. Seit der Einführung von Frauen-Eishockey bei den Olympischen Spielen 1998 geht ein Sieg nur über diese beiden Teams. Das gleiche gilt für die Weltmeisterschaften, wo seit 1990 kein anderes Team den Titel holen konnte. Und dennoch hält Frauen-Eishockey in Nordamerika den Status einer Randsportart inne. Der internationale Erfolg scheint sich nicht auf die heimischen Ligen übertragen zu lassen.

Top-Spielerinnen boykottieren NWHL

So existierte bis zur Gründung der NWHL 2015 keine US-amerikanische Frauen-Eishockeyliga. Die Topspielerinnen zog es deshalb entweder in die kanadische Liga CWHL oder ins Ausland, zum Beispiel nach Russland oder Schweden. Wegen fehlender finanzieller Nachhaltigkeit wurde die CWHL, welche ihre Spielerinnen ebenfalls kein Gehalt zahlen konnte, jedoch 2019 ohne große Vorwarnung aufgelöst. Deren Spielerinnen standen auf einmal ohne Verein da. Dieser Schritt löste anschließend eine Debatte aus, welche in einem Boykott der NWHL durch mehr als 200 Spielerinnen gipfelte, darunter zahlreiche Olympiasiegerinnen und Nationalspielerinnen.

Sie fordern eine angemessene Bezahlung, bessere Trainings- und Wettkampfbedingungen sowie eine adäquate Krankenversicherung. Solange es dies nicht gäbe, würden sie in keiner Liga Nordamerikas antreten. Stattdessen gründeten sie eine Gewerkschaft, die PWHPA, die in direkter Konkurrenz zur NWHL Showturniere veranstaltet und Ende Februar im Rahmen ihrer Dream Gap Tour sogar mit zwei Mannschaften im Madison Square Garden in New York antreten werden.

Eins steht jedoch fest: ohne ihre besten Spielerinnen wird die NWHL auf lange Sicht kaum zahlungskräftige Sponsoren dazugewinnen und angemessene Gehälter auszahlen können. Was zur Folge hat, dass die PWHPA die NWHL weiterhin boykottieren wird. Dabei haben beide Seiten dasselbe Ziel, eine Profi-Liga in Nordamerika, in der sich die Spielerinnen ganz auf Eishockey konzentrieren können. Unter professionellen Bedingungen wäre es vielleicht auch gelungen, die NWHL-Saison 2021 trotz der Corona-Pandemie zu Ende zu bringen.

Katarina Schubert

Katarina Schubert

Erschienen in Eishockey am 05. Februar 2021

Weitere Artikel

  •  © Alwin Zwibel

    Erster Meistertitel für ERC Ingolstadt: ,Einfach eine geile Mannschaft'

    Im Kampf um den Deutschen Meistertitel der Eishockey Bundesliga hat der ERC Ingolstadt die entscheidenden beiden Spiele für sich entscheiden können und sich den Traum vom ersten Titel – und das sogar vor heimischer Kulisse – erfüllt.

    22. Mär, 2022

  • Memmingen und Ingolstadt sehen sich zu Spiel drei und vier im Finale. © Alwin Zwibel

    Entscheidung um Deutsche Meisterschaft könnte am Wochenende fallen

    Am Samstag (17:15 Uhr) kommt es am Memminger Hühnerberg gegen den ERC Ingolstadt zu Spiel drei im diesjährigen Playoffs-Finale. Einen Tag später (14:45 Uhr) findet das Rückspiel in der Ingolstädter Saturn Arena statt. Gewinnt ein Team beide Spiele, stehen die neuen Deutschen Meisterinnen fest. Wenn nicht, kommt es am Sonntag, 26.3., zum finalen Spiel in Memmingen.

    18. Mär, 2022

  • Sky-Sportchef Charly Classen will verstärkt Frauensport zeigen. © Sky

    Sky-Sportchef Classen: ,Anteil von Frauensport mehr als verdoppeln'

    Sky will künftig im Sportprogramm mehr Frauensport zeigen – sowohl mit Hintergrundgeschichten als auch Live-Berichten. Wie es zu diesem Schritt kommt und welche Sportarten dabei im Fokus stehen, erklärt Sky-Sportchef Charly Classen im Interview.

    Verfasst von Nina Probst

    08. Mär, 2022

  • Memmingen und Ingolstadt begegnen sich auf Augenhöhe. © Alwin Zwibel

    Finalserie startet: Ingolstadt und Memmingen spielen um die Eishockey-Meisterschaft

    Nach spannenden und knappen Spielen im Halbfinale geht es für den ERC Ingolstadt und den ECDC Memmingen nun ins Finale. Im Best-of-5-Modus spielen die beiden bayerischen Teams um die Meisterschaft – für Memmingen könnte es der vierte, für Ingolstadt der erste Titel werden.

    Verfasst von Nina Probst

    11. Mär, 2022

  • Im Playoffs-Halbfinale trifft Memmingen auf Mannheim. © Marcel Tschamke Fotografie

    Playoffs in der DFEL: Das sind die Meisterschafts-Kandidatinnen 2022

    Die Bundesliga der Frauen geht ab Samstag in die heiße Phase: Die vier besten Teams der Hauptrunde starten in die Playoffs, die erstmals im Best-of-Five-Modus stattfinden. Neben den drei bayerischen Teams haben sich in dieser Saison auch die Mad Dogs Mannheim souverän einen Platz in den Playoffs erarbeitet.

    Verfasst von Nina Probst

    22. Feb, 2022

  • Nina Probst beim Spiel der Mad Dogs Mannheim gegen den ERC Ingolstadt. © Marcel Tschamke

    Wenig Wertschätzung, dafür viele Hindernisse für Eishockey-Bundesliga – Ein Kommentar

    Unsere Reporterin Nina Probst war am Wochenende zu Gast in Mannheim beim Spiel der Mad Dogs gegen den ERC Ingolstadt. Im Kommentar beschreibt sie, wie sie das hochklassige Spiel erlebt hat und blickt dabei über die Bande hinaus.

    Verfasst von Nina Probst

    18. Jan, 2022

  •  ©

    Eisbärinnen-Spiele erneut abgesagt – Mannheim empfängt Ingolstadt

    Auch in der Eishockey Bundesliga der Frauen werden aufgrund von Corona weiterhin Spiele verschoben. Während also Berlin und Memmingen pausieren, treffen im Kellerduell Köln und Bergkamen aufeinander und im Kampf um die Playoffs empfängt Mannheim den ERC Ingolstadt.

    14. Jan, 2022