Coronavirus

Kugelstoßerin Julia Ritter: Mit Youtube zu Olympia

Eigentlich hatte sie den Traum Olympia für die Spiele 2020 in Tokio schon abgeschrieben. Die Verschiebung haben die Karten der jungen Kugelstoßerin Julia Ritter, die im Februar bei den Deutschen Hallenmeisterschaften die Bronzemedaille im Kugelstoß gewonnen hat, noch einmal neu gemischt.

Julia Ritter ist ein Unikat. Die 21-jährige Oberadenerin, die für den TV Wattenscheid 01 startet, ist eine der vielversprechendsten deutschen Talente im Kugelstoßen und ganz nebenbei brilliert sie auch mit dem Diskus. Wenn die Bundespolizeimeisterin am Telefon von den deutschen Meisterschaften 2019 in Berlin im Olympiastadion erzählt, muss sie selbst kurz laut auflachen. Denn dort wurden zeitgleich, um 15.15 Uhr, beide Disziplinen durchgeführt und Julia Ritter pendelte als einzige Athletin, in Begleitung einer Kampfrichterin, vom Kugelstoß- zum Diskusring. „Zusammen mit der Kampfrichterin bin ich die 100 Meter immer über das Feld gejoggt und es hat mir anscheinend echt gut getan, weil ich dann auch noch persönliche Bestleistung gestoßen habe.“

Mit ihrer neuen persönlichen Bestleistung von 17,63 Meter wurde sie Vierte im Kugelstoßen und verfehlte den Bronzeplatz um 20 Zentimeter. Mit dem Diskus belegte sie den siebten Platz.

Drei junge Wilde kämpfen um ein Ticket nach Tokio

Diese Leistung im Kugelstoßen trennt sie genau 97 Zentimeter von ihrem großen Traum: den Olympischen Spielen. Eine Teilnahme in Tokio hatte Julia Ritter eigentlich schon abgeschrieben. Doch die Corona-Krise und die Verlegung der Spiele ins Jahr 2021 haben die Karten neu gemischt. „Die Trainingswerte deuten schon in die richtige Richtung“, bekräftigt Julia Ritter. Sie und ihr Trainer Mirsolaw Jasinsk hoffen auf eine „Late Season“, damit Julia unter Wettkampfbedingungen ihre Bestleistung steigern kann.

"Wir animieren uns alle, neue Bestleistungen zu zeigen." Julia Ritter über ihre Konkurrenz im Kugelstoßen

Neben Julia bewerben sich auch Alina Kenzel (Vfl Waiblingen) und Katharina Maisch (TuS Metzingen) um das dritte Ticket nach Tokio. Christina Schwanitz und Sara Gambetta scheinen gesetzt. Im direkten Vergleich unterlag Julia ihren zwei Konkurrentinnen bisher: bei der U-23-Europameisterschaft 2019 im schwedischen Gävle und im Februar 2020 bei den deutschen Hallenmeisterschaften. Beide Male holte Julia Bronze. Die direkte Konkurrenz-Situation im eigenen Lager sieht Julia vor allem als Vorteil, weil „wir uns alle animieren neue Bestleistungen zu zeigen. Wir werden alle fighten und unser Bestes geben.“

Mit Youtube und familiärer Unterstützung zu Olympia

Um ihr Bestes bald wieder abrufen zu können, hat sie mit ihrem Vater Reiner Ritter in den ersten Wochen der Corona-Pandemie im Garten trainiert. Vielleicht auch ein Moment der Nostalgie für Familie Ritter, denn gemeinsam mit ihrem Vater Reiner hatte Julia das Kugelstoßen eher unkonventionell gelernt. Als Rückraumspielerin der TVG Kaiserau wollte Julia eigentlich in das Handballnational-Team der Frauen – und kam stattdessen über eine Leichtathletik AG in der Schule mit 13 Jahren zum Kugelstoßen. Das Schmunzeln in der Stimme kann sie nicht ganz verkneifen, wenn sie über ihre ersten Versuche mit der Kugel spricht und sie gemeinsam mit ihrem Vater Videos auf Youtube von David Storl ansah, um mehr über die Technik, „das Stoßen“, zu lernen.

Julia-Ritter-Familie.png Julia Ritter kann sich auf die Unterstützung ihrer Familie verlassen. Foto: privat

Die Erfolge geben ihr und ihrem Vater recht. So wurde Julia 2015 in Cali, Kolumbien, U18-Weltmeisterin im Kugelstoßen. „Ein ganz besonderer Moment“ wie sie sich heute erinnert, weil „wir abends im Stadion gestoßen haben mit Flutlicht. Das war schon eine einzigartige Atmosphäre“.

Seit letzter Woche trainiert Julia wieder in Wattenscheid, mit einer Ausnahme-Regelung als Mitglied im Perspektiv-Kader. Statt wie normalerweise in einer Trainingsgruppe mit Hannah Meinikmann trainiert sie jetzt alleine und mit Abstand zu den anderen Athlet*innen. Mit ihren 21 Jahren hat sie das beste Kugelstoß-Alter noch vor sich, wie sie uns versichert und „generell wäre Kugelstoßen ein Sport, den die Athletinnen lange betreiben könnten“. Die Idee, dass Tokio 2021 nicht klappen könnte, entmutigt die junge Frau nicht. Dann nimmt sie eben ein neues Ziel fest in den Blick: Paris 2024.

Erschienen in Coronavirus, Leichtathletik am 01. Mai 2020

Artikel zum Thema

Weitere Artikel