Biathlon

Nach der Biathlon-Karriere: Nadine Horchler im Interview

Biathletin Nadine Horchler hat sich am Ende dieses Winters vom Biathlon-Zirkus verabschiedet. Nach vielen Jahren im Profi-Sport hat die 33-Jährige nun neue Pläne. Wir haben mit ihr über ihre Karriere, den Abschied und ihre Zukunftspläne gesprochen.

Mit 33 Jahren hat Nadine Horchler ihre Biathlon-Karriere nach dieser Saison beendet. 20 Jahre lang war die Sportlerin vom SC Willingen im Biathlon aktiv. Nachdem sie 2011 ihr Weltcup-Debüt feierte, folgten in der Karriere viele Auf und Abs sowie Wechsel zwischen Weltcup und IBU-Cup. Aufgeben war aber nie eine Option. In ihrer letzten Saison lief Nadine Horchler im Alpenpokal und Deutschlandcup. Wie sie die Zeit im Biathlon-Zirkus erlebt hat und was ihr größter Erfolg war, erzählt sie uns im Interview.

Frau Horchler, Sie sind ihr Abschiedsrennen beim letzten Deutschlandpokal der Saison Ende Februar in Ruhpolding gelaufen. Wie war Ihr Abschied?

„Es war ein richtig toller Abschied, sehr emotional, lustig, fröhlich und berührend. Es war ein perfekter Abschied für mich, da die wichtigsten Menschen und viele Wegbegleiter dabei waren.“

Seit Ihrem Karriereende beim Deutschlandpokal sind einige Tage vergangen. Vermissen Sie schon etwas?

„Bisher noch nicht. Ich hatte gleich nach dem Saisonende zwei Prüfungen an der Uni, die anstanden, somit war an Ausspannen erstmal nicht zu denken. Aber ich habe in der Zeit noch den Schnee genossen und war jeden Tag beim Langlaufen.“

Vor dieser Saison wurde klar, dass es nach weniger guten Ergebnissen bei den deutschen Meisterschaften und einer Nicht-Nominierung schwer wird, im Weltcup- oder IBU-Cup-Team zu laufen. Wann haben Sie sich entschieden, Ihre Karriere zu beenden?

„Meine Karriere zu beenden, stand für mich schon im Mai 2019 fest, als ich angefangen habe, für die anstehende Saison zu trainieren, völlig unabhängig von den Ergebnissen, die gut oder schlecht sein könnten.“

image3.jpeg Foto: Christian Göstl

Ist Ihnen der Schritt schwergefallen?

„Nein, es war eine ganz bewusste Entscheidung und ich konnte somit ein Jahr noch mein Leben als Biathletin genießen und auch ganz bewusst erleben.“

Ist mit dem Karriereende auch ein gewisser Druck von Ihnen abgefallen?

„Ja, auf jeden Fall, auch wenn ich durch das Studium nicht in ein Loch gefallen bin und durch die Prüfungen gleich die Spannung erhalten blieb. Aber der Leistungssport ist eine völlig andere Hausnummer, was die Ausrichtung und Auswirkung auf mein eigenes Leben betrifft. Auch wenn erst ein Monat vorbei ist, ist es ein sehr großer Unterschied zum Leben als Biathletin. Sogar mehr als ich vorher gedacht habe.“

Ihr Weltcup-Debüt hatten Sie im Winter 2010/11. In den vergangenen Jahren folgten viele Auf und Abs. Was ist Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben?

„Das sind sehr sehr viele Dinge. Viele Tiefpunkte und genauso viele Höhepunkte, wie zum Beispiel der Weltcupsieg in Antholz, viele Menschen, denen ich begegnet bin, viele Entbehrungen, das schöne Gefühl, meine Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben und ganz viele emotionale Erinnerungen. Aber im Gedächtnis bleibt auch der Weg, sich immer wieder aufzurappeln und Mut zu fassen und weiter zu kämpfen, auch wenn man am Boden liegt. Diese Fähigkeit und diese Gewissheit, dass es sich gelohnt hat, nehme ich natürlich mit in mein jetziges Leben.“

Aber im Gedächtnis bleibt auch der Weg, sich immer wieder aufzurappeln und Mut zu fassen und weiter zu kämpfen, auch wenn man am Boden liegt.

Was ist für Sie rückblickend der größte Erfolg Ihrer Karriere?

„Mein Weltcupsieg in Antholz.“

Ihre Karriere war auch geprägt vom Kampf um Start- und Kaderplätze. Dabei haben Sie viel Durchhaltevermögen gezeigt. Im Winter 2010 haben Sie sogar nebenbei als Kellnerin gearbeitet, um Ihren Sport finanzieren zu können. Ihr Heimtrainer bezeichnete Sie mal als „Deutschlands Stehauf-Männchen Nummer 1“. Woher haben Sie die Motivation genommen, immer weiter zu kämpfen?

„Wenn es manchmal völlig aussichtslos scheint, dann gibt es da oft noch die innere Stimme, die einen lenkt, wenn man sich traut auf sie zu hören. Dazu kommen vielleicht auch einfach ein Kämpferherz und viel Mut, mich manchen Sachen zu stellen, auch wenn sie scheitern könnten. Aber auch mentale Hilfe von außen war für mich in schwierigen Zeiten sehr wichtig, um etwas gestärkter meinen Weg zu gehen.“

Im Verlauf Ihrer Karriere mussten Sie sich immer wieder mit guten Leistungen im IBU-Cup für einen Start im Weltcup empfehlen, manchmal ohne einen Kaderstatus zu haben. Fühlten Sie sich manchmal unfair behandelt?

„Im Nachhinein ist es immer leicht zu sagen, dass es manchmal gar nicht so unfair war, wie es sich für mich in dem Moment angefühlt hat. Aber in manchen Momenten hat es sich damals unfair angefühlt. Jetzt weiß ich einfach, dass manche Sachen einfach so sind, und dass ich das Beste draus machen muss. Es bietet auch eine Chance, sich selbst zu überdenken.“

Was haben Sie als größte Unterschiede zwischen Weltcup und IBU-Cup wahrgenommen?

„Die mediale Aufmerksamkeit. Die Leistung ist vielleicht die gleiche, sobald aber die TV-Übertragung dazukommt, hat es eine ganz andere Wirkung auf die Zuschauer und das Umfeld.“

Mit 33 Jahren sind Sie eine noch junge „Biathlon-Rentnerin“. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

„Ich studiere gerade Psychologie und das dauert auch noch ein bisschen, bis ich fertig bin. Nebenher möchte ich jetzt das „neue Leben“ genießen und Dinge tun, für dich ich als Leistungssportlerin keine Zeit hatte: flexibler meine Zeit einteilen, mehr Zeit für Freunde und Familie und Sport so viel ich mag und wann ich mag. Das muss aber erstmal noch warten bis Corona vorbei ist und dann pendelt sich vielleicht auch ein neuer Alltag ein.“

image0.jpeg Foto: Christian Göstl

Wie sehen Sie Ihr Leben in fünf Jahren?

„Ich hoffe mit dem dann abgeschlossenem Studium in der Tasche und einer mich bereichernden Arbeitsstelle und einem glücklichen Privatleben.“

Was haben Sie in über 20 Jahren Leistungssport gelernt?

„Viel über mich, viel über andere Menschen, Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Selbstreflexion, Kampfgeist, Empathie, Willensstärke und viel Persönlichkeitsentwicklung.“

Können Sie sich vorstellen, dem Biathlon-Sport erhalten zu bleiben, zum Beispiel als Trainerin?

„Bisher gibt es in dieser Richtung noch keine konkreten Pläne. Aber vielleicht kann ich mein Wissen als Sportlerin irgendwann mal weitergeben an jüngere Athleten oder im mentalen Bereich unterstützend tätig sein.“

Vielen Dank für das Interview.

Titelfoto: Schlüsselmoment

Verfasst von Jana Glose

Erschienen in Biathlon am 31. März 2020

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