Pionierin Petra Landers: ,Frauen müssen aufstehen und sagen, was sie wollen!'

ExklusivWenn man über die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs spricht, darf eine nicht fehlen: Petra Landers. Sie war dabei, als Bergisch Gladbach die inoffizielle WM gewann und beim ersten EM-Sieg 1989. Und bei vielen weiteren Erfolgen. Und die 58-Jährige hat noch viel vor.

Wir erwischen Petra Landers (58) für ein Interview gerade noch rechtzeitig, bevor sie zu einer Fortbildung in der Sportschule Wedau in Duisburg aufbricht. Die Fußball-Pionierin zögert nicht lange. Sie erzählt gerne von der Zeit, als der Frauenfußball in Deutschland noch ein ganz anderes Kapitel schrieb. Sprichwörtlich noch in Kinderschuhen steckte – in den Schuhen von Petra Landers, von Anne Trabant-Haarbach oder Bärbel Wohlleben. Aber mindestens genauso gerne erzählt Petra Landers von dem, was sie heute macht und was sie in den kommenden Jahren plant. Klar, dass auch das was mit Fußball zu tun hat.

Frau Landers, …?

Ich bin die Petra.

Klar, gerne. Petra, welche Rolle nimmt der Fußball heute in deinem Leben ein?

Fußball spielt eine sehr, sehr große Rolle in meinem Leben. Fußball ist für mich so aktuell wie lange nicht mehr. Ich hatte mich eine Weile auf die Arbeit konzentriert, jetzt liegt mein Fokus darauf, Mädchen in Afrika für Fußball zu begeistern und ihnen den Sport zu ermöglichen. Jedes Jahr fliege ich ein- bis zweimal nach Afrika, in Länder wie Sambia, Uganda oder Ghana. Dort treffe ich Mädchen, die zum Teil noch nie Fußball gespielt haben und ermutige sie, mitzuspielen.

Wie machst du das?

Ich spiele einfach selbst. Dann wollen sofort alle mitspielen. Ich bin in Afrika ganz nah dran an den Mädchen und erreiche sie auf Augenhöhe. Es macht mir großen Spaß, ihre Freizeit zu bereichern. Und sich selbst zu finden. Der Sport eignet sich dazu einfach am besten.

Erinnern dich die Mädchen an dich selbst, als du klein warst?

Auf jeden Fall. Ich sehe bei ihnen dieselbe Leidenschaft, mit der ich Fußball gespielt habe. Nur dass ich nicht in dieser Armut aufgewachsen bin. Aber ich habe einfach immer und überall gespielt, war allzeit bereit. Die Fußballhose hatte ich in der Grundschule schon immer direkt unter der Jeans an, damit ich keine Zeit verliere. Raus auf den Pausenhof, Tore aufbauen und los ging’s. Und genau das finde ich am Fußball so toll: Wir können es einfach überall spielen.

Petra Landers Afrika.jpg Petra Landers in Afrika. Foto: privat

Wobei einfach nicht immer gestimmt hat.

Richtig. Als ich damals gespielt habe, habe ich erst acht Stunden gearbeitet und bin dann 75 Kilometer ins Training nach Bergisch-Gladbach gefahren. Und das drei- bis fünfmal pro Woche. Als 1989 dann die EM im eigenen Land war, hat mein Chef gesagt, ich könne dort nicht mitspielen, schließlich müsse er auf Kur. Ich habe gesagt, dass ich dann eben kündigen werde. Am Ende ist mein Chef nicht zur Kur gefahren und ich dafür zur Europameisterschaft. Mit solchen Hürden haben die Profispielerinnen heute nicht mehr zu kämpfen, die sind ja alle für den Fußball freigestellt und können zweimal am Tag trainieren. Der Frauenfußball ist dadurch athletischer, technischer und taktischer geworden.

Schaust du manchmal die Bundesliga der Frauen?

Selten, die Zeiten sind oft dann, wenn ich gar nicht zuhause bin. Unter der Woche am Nachmittag. Das sind unmögliche Zeiten und auch hier muss sich noch was verändern. Ich habe aber das Gefühl, dass man sich gerade auf den Weg dorthin macht, unter anderem weil der neue Präsident Fritz Keller den Frauenfußball unterstützt. Außerdem zeigen frühere Spielerinnen größeres Interesse, sich mehr nach vorn zu stellen.

Wo siehst du die größten Herausforderungen?

Zuerst brauchen wir eine Basis. Wir müssen die jungen Mädchen mitnehmen, um auch einen Nachwuchs zu haben. Und um das zu schaffen, müssen wir alle anpacken und die Möglichkeiten ausschöpfen. Aktuell haben wir Frauen viel zu wenig Stimme und warten, bis etwas passiert. Das ist nicht richtig. Wir haben eine Masse an Spielerinnen in Deutschland und gemeinsam müssen wir aufstehen und sagen, was wir wollen.

Was wollen wir denn?

Wir wollen nicht länger das fünfte Rad am Wagen sein. Wir wollen, dass alle Mädchen, die Fußball spielen wollen, auch die Möglichkeit dazu haben und dass der Nachwuchs gefördert wird. Im unteren Bereich wird aktuell noch viel zu wenig gemacht. Auch wenn sich natürlich schon viel verändert hat. Die Entwicklung ist ein Prozess und der dauert.

Auch dank dir hat sich im Frauenfußball schon viel getan. Macht dich das stolz?

Stolz bis Oberkante Unterkante. Leider waren wir Spielerinnen von damals lange Jahre einfach abgelegt und niemand hat sich für uns interessiert. Erst in den vergangenen etwa drei Jahren spricht man über uns und erkennt an, was wir im Frauenfußball durchgesetzt haben.

MK-0322.JPG Petra Landers im Gespräch mit der ehemaligen Nationalspielerin Silke Rottenberg. Foto: Marion Kehren

Was siehst du als deinen größten Erfolg?

Dass ich angefangen habe, Fußball zu spielen. Ohne diesen Schritt als Kind hätte ich all die Erfolge nie erlebt. Und viele Erfolge waren vor allem darum so toll, weil ich sie mit als Erste erlebt habe. Zum Beispiel habe ich als Kind nie davon geträumt, mal in der Nationalmannschaft zu spielen. Denn es gab ja gar keine Nationalmannschaft. Dasselbe bei der Weltmeisterschaft und Europameisterschaft.

Du hast dann dazu beigetragen, dass es all das gibt. Vor welchen Problemen standet ihr?

Fußball zu spielen war zuerst einmal keine Herausforderung für mich. Mein Cousin hat mich dazu gebracht und ich wurde bei den Jungs auch immer akzeptiert. Als ich dann mit 13 Jahren in ein Frauen-Team gewechselt bin, habe ich zum ersten Mal erlebt, dass es Leute gibt, die dagegen sind. Als junge Mädchen haben wir da nicht hingehört und wollten einfach Fußball spielen. Aber mit solchen Leuten war ich dann immer wieder konfrontiert. Das waren die Herausforderungen neben dem Sport. Meine körperlich größte Herausforderung war der Weltrekord-Versuch auf dem Kilimandscharo. Dort haben wir 2017 auf 5.729 Meter Höhe Fußball gespielt. Darauf habe ich vier Monate hart hintrainiert.

Trainierst du heute noch viel – auch mit dem Ball?

Wir haben eine Retro-Mannschaft, da spiele ich einmal im Jahr mit. Sonst spiele ich hier in Deutschland kaum Fußball, da bietet sich einfach nicht oft die Gelegenheit. Ich gehe einfach joggen oder in die Muckibude, damit ich fit bleibe. Ich will ja mit den Kindern in Afrika noch mithalten können. Als ich das vergangene Mal in Ghana am Haus meiner Freunde angekommen bin, wussten alle im Dorf gleich, dass ich mal in der Nationalmannschaft gespielt habe. Als ich gesagt habe, wir könnten ein Training starten, waren gleich 40 Kinder um mich versammelt.

Was hast du in Afrika noch vor?

Ich will gerne in zwei oder drei Jahren auswandern. Natürlich muss ich erst mal sehen, ob ich ein Visum bekomme, wie sich Corona entwickelt, was aus der Revolution in einigen afrikanischen Ländern wird. Und natürlich muss ich auch finanziell gesichert sein, bis zu meiner Minirente sind es noch fünf Jahre. Gerade auf dem Land gibt es in vielen afrikanischen Ländern oftmals keine Organisationen, in denen Kinder und vor allem Mädchen Sport treiben können. Ich kann mir vorstellen, dort Workshops leiten und meine Leidenschaft für Fußball weitergeben.

MK-0200.JPG Den Umgang mit dem runden Leder beherrscht Petra Landers auch heute noch. Foto: Marion Kehren

Petra Landers‘ sportliche Erfolge

  • Mit der SSG 09 Bergisch-Gladbach gewinnt Petra Landers 1981 bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft in Taiwan den Titel. Zu der Zeit gab es beim DFB noch keine Frauennationalmannschaft.
  • Spielerin in der ersten Frauennationalmannschaft ab 1981
  • 1982, 1983, 1988 und 1989 wird Petra Landers Deutsche Meisterin mit der SSG 09 Bergisch-Gladbach.
  • Im eigenen Land wird Petra Landers 1989 Europameisterin.

Petra Landers‘ Meilensteine im Frauenfußball:

Juni 2011: Petra Landers lädt die iranische Sportfotografin Maryam Majd zur Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen nach Deutschland ein, um ein Buch zu erstellen. Doch die Fotografin trifft nie in Deutschland ein, weil das Regime in Teheran sie festnehmen lässt.

2014:Petra Landers beginnt mit ihren Reisen nach Afrika, um dort mit afrikanischen Mädchen Fußball zu spielen.

25.Juni 2017: Petra Landers nimmt mit Fußballspielerinnen aus 20 Ländern im Rahmen der Initiative „Equal Playing Field“ für mehr Gleichstellung von Mädchen und Frauen im Sport an einem Weltrekord-Versuch teil. Unter Leitung von offiziellen FIFA-Schiedsrichterinnen spielen sie im Krater des Kilimandscharo in einer Höhe von 5.729 Metern Fußball. Nun sind sie Weltrekordhalterinnen für das "höchste Fußballspiel der Welt".

12.März 2019: Petra Landers wird für den Preis „Deutscher Fußball Botschafter“ in der Kategorie „Trainerin 2019“ zusammen mit ihr wurden Jürgen Klopp und der Trainer der mongolischen Nationalmannschaft Michael Weiß nominiert. Jürgen Klopp gewinnt, Petra Landers wird aber vom Publikum zur „Gewinnerin der Herzen“ ernannt.

2020:Protagonistin im Dokumentarfilm "Das Wunder von Taipeh".

Erschienen in 50 Jahre Frauenfußball, Fußball am 29. Oktober 2020

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